„Wir stapfen dermaßen langsam vor uns hin, ein Friseur könnte
uns beim Gehen die Haare schneiden, waschen, färben und noch Extensions
einflechten“, beschreibt Gernot Voltz das Schneckentempo seiner letztjährigen
Sommertour mit zwei Freunden. Der Godesberger ist ein erfahrener Kabarettist,
bekannt durch 30 erfolgreiche Jahre auf der Bonner Kleinkunstbühne
„Pink Punk Pantheon“ und in Kooperation mit dem Kollegen Wilfried Schmickler
im Hörfunk als „Herr Heuser vom Finanzamt“. Voltz hat unter anderem
für die TV-Sendungen „Mitternachtsspitzen“ des WDR und „7 Tage, 7
Köpfe“ für RTL geschrieben. Und wenn er jetzt in seinem neusten
Buch „Beim nächsten Berg wird alles anders“ seine Ungeduld beim Langsam-den-Berg-Hochsteigen,
afrikanisch „Pole pole“, beschreibt, dann geht es um nichts weniger als
das Erklimmen des legendären Kilimandscharo. (...)
„4600 Meter war mein Limit“, sagt Voltz heute. Auf 5800 Metern hätte
er sich in seinem gefährlichen Zustand wohl „nackt mit einem nicht
vorhandenen Yeti gepaart“ empfunden, fügt er schmunzelnd hinzu. Dass
die zwei Freunde schließlich den Gipfel wirklich stürmten –
geschenkt, denkt sich Voltz heute. „Ich bin alt genug, in Würde zu
scheitern.“ Und dann kommt zwinkernden Auges hinter: Wenn man ihn aber
frage, ob er noch mal in die Höhe wolle, dann würde er „ja“ sagen.
„Es müssen ja nicht gleich wieder 5900 Meter sein.“
(...) Herr Gernot mit dem losen Mundwerk beschließt eines
denkwürdigen Geburtstagsabends, sich zusammen mit seinen best buddies
auf einen Trip zu begeben, der nicht allein zu einem fernen Kontinent und
dort auf einen legendären Gipfel führt, sondern auch an persönliche
Grenzen. Oder sogar darüber hinaus. Die Herren, allesamt reifere Semester
und überdies nicht unerfahren, was das Reisen im Allgemeinen und was
Bergtouren im Besonderen angeht, sind nämlich fest entschlossen, den
Kilimandscharo zu erklimmen.
Wie das vonstatten geht (nur leider nicht für alle) und dass ein
Abenteuer auch eines ist, wenn es anders (und etwas dramatischer) verläuft
als geplant – davon berichtet Voltz in seinem »Kilimandscharo-Tage-buch«
Beim nächsten Berg wird alles anders. Er besorgt das so unterhaltsam
wie freimütig und, wie es sich für einen Humoristen wie ihn gehört,
mit vielen launigen Abschweifungen sowie einer sympathischen Portion Selbstironie.
Passend dazu hat Voltz' Tochter Marlene für das Büchlein einen
überaus
charmanten Umschlag gestaltet, der die ›komische Dramatik‹ der Unternehmung
fein illustriert.
Armin Alfermann, der Pionier der
kostenfreien Straßenkultur
(...) Der Fotokünstler und Galerist (Armin Alfermann)
hatte Ende der 1970er Jahre und zu Beginn der 1980er Jahre in Solingen
als Vater der Solinger Kulturtage wichtige Bedeutung. Kultur auf die Straße
zu holen und so demokratisch allen den kostenlosen Zugang zu verschaffen,
das war damals nicht selbstverständlich. Alfermann ist da in Solingen
einer der Pioniere gewesen.
Olaf Link erinnert aber in seinem Buch an den anderen Alfermann, den
Fotografen. Entlang des Niederrheins hatte der Landschaften festgehalten.
Olaf Link fungiert hier als Herausgeber. Fotografien aus den 1950er Jahre
in schwarz-weiß prägen das Buch "Der Niederrhein - eine Reise
in Bildern". Ein Reiseführer ist das Buch aber nicht. Olaf Link erklärt,
dass nur, wer bereit sei, die Fotos auf sich wirken zu lassen, habe "einige
Aussicht darauf, ein wenig Einblick auch in dessen Bewusstsein, das ihm
bewusst gewordene Sein, zu erlangen". (...)
Philipp Müller, Solinger Tageblatt (6. Mai 2024)
Fotos mit Hintergrund
(...) Ausgewählt wurden dafür Fotografien, die der Solinger
(Alfermann) von den 1950er bis 1970er Jahre gemacht hat, also einer
Zeit, als es das schnelle "Knipsen" so noch gar nicht gab. (...)
Link geht es nach eigener Aussage bei der Herausgabe des Buches noch
um mehr, nämlich den Menschen hinter der Kamerazu zeigen. (...)
Ein Gang über den Friedhof liefert interessante, manchmal dramatische
Stadtgeschichte. Autorin Ebba Hagenberg-Miliu hat sich auf den Weg gemacht.
Sie erzählt die Geschichten Prominenter und Anderer auf Godesberger
Friedhöfen. In „Verehrt, geschätzt – oder gefürchtet“ finden
sich natürlich politische Urgesteine wie Herbert Wehner und der umstrittene
Hans Globke aus der Zeit, als Bonn noch Hauptstadt war. (...)
Auf den Spuren prominenter und berüchtigter
Godesberger
(...) Hagenberg-Miliu begibt sich auf die Spuren derer, die in den 1950er
bis 1980er Jahren die Politik der Bundesrepublik entscheidend mitgestalteten.
„Ich wollte mit Hilfe von Zeitgenossen, Historikern und Journalistenkollegen
ihre Lebensleistung aus heutiger Sicht neu bewerten. Ich wollte fragen,
wie das Wirken der damaligen Stars des Bundestags aktuell gesehen wird.
Und was es auch für unsere Zukunft bedeutet“, sagt sie.
Dabei hat sich dann das Spektrum erweitert, das im Buch thematisch gegliedert
ist: Politiker, Beamte, Journalisten, Kunstförderer und Schauspieler
reihen sich auf den Seiten ein. Der Leser lernt die Beweggründe einiger
Pfarrer im Widerstand kennen: von Werner Ehlert, Klaus Lohmann und Friedrich
Bleek. „Journalistisches Neuland habe ich unter anderem betreten im Fall
von Adenauers umstrittenen Kanzleramtschef Hans Globke.“ Die Autorin hat
etwa auch die Umstände ausgelotet, „unter denen der kleine Himmler
Wilhelm Koppe in Bonn lebte, in Untersuchungshaft saß und trotzdem
dem Urteil der Richter entging.“ Die Anklage: Beteiligung am Mord von 145.000
Menschen. (...)
Nach Helmut Kohl sucht man logischerweise vergebens,
nach berühmten Musikern oder Schriftstellerinnen auch. Doch wer in
diesem Buch nur Belangloses über C-Promis erwartet, dürfte positiv
überrascht werden. Denn Ebba Hagenberg-Miliu hat für ihr Werk
„Verehrt, geschätzt - und gefürchtet“ einige spannende Personen
›ausgegraben‹, die in Bad Godesberg ihre letzte Ruhe gefunden haben. (...)
Im letzten Teil des Buches werden Täter und
Opfer der NS-Diktatur ausführlich gewürdigt, darunter Josef Levy,
der 1935 das erste Godesberger Opfer der Judenverfolgung war, oder auch
Wilhelm Koppe, der mitverantwortlich für Massentötungen in der
NS-Zeit war und unbehelligt bis 1975 in Godesberg lebte. Lesenswert sind
auch die Biografien der Pfarrer, die Widerstand gegen die Nazis leisteten:
Werner Ehlert, Klaus Lohmann und Friedrich Bleek sind Namen mutiger Männer,
die nicht jeder kennt. Wer fehlt, ist der in Friesdorf beerdigte NS-Gegner
und Zentrumspolitiker Joseph Roth, dessen gleichsam spannende wie bedrückende
Biografie unbedingt in dieses Buch gepasst hätte.
Auffällig ist, dass nur wenige Frauen in
dem Buch Erwähnung finden. Bei den Politikern sind sie bestenfalls
Ehefrauen, die ebenfalls in den Gräbern liegen. Ausnahme ist die streitbare
FDP-Politikerin und Diplomatin Margarete Hütter. Eigene Kapitel erhielten
neben ihr nur noch die prominente Gastwirtin Aennchen Schumacher, die Kunstmäzenin
Ferdinande Boxberger, die Schauspielerin Heide Keller und die Holocaust-Überlebende
Mathilde Dardenne.
Mit einem WDR-Team hat Ebba Hagenberg-Miliu zu ihrem neuen Buch Verehrt,
geschätzt - oder gefürchtet vier Godesberger Friedhöfen
besucht. Den Bericht gab es am 19.7.2024 in der WDR
Lokalzeit.
Prominente Ruhestätten
Die Bad Godesberger Journalistin Ebba Hagenberg-Miliu hat aus verschiedenen
veröffentlichten Beiträgen über Grabstätten von Prominenten
ein Buch zusammengestellt, das jetzt im örtlichen Buchhandel (Kid
Verlag Bonn 2024 ISBN 978-3-949979-62-0) erhältlich ist und für
großes Interesse sorgt.
Unter dem Titel „Geschichten am Grab Prominenter auf Godesberger Friedhöfen“
erfährt man dabei viel über so manchen Menschen, der im Rampenlicht
stand und jetzt auf einem der Bad Godesberger Friedhöfe seine letzte
Ruhe gefunden hat. Ebba Hagenberg-Miliu äußert, dass „die Friedhöfe
im Bonner Stadtteil Bad Godesberg zugegebenermaßen keine Kultstätten
wie der berühmte Pariser Père Lachaise mit seinen pittoresken
Pavillons sind. Dort pilgern Fans aus aller Welt massenweise zu den letzten
Ruhestätten von Edith Piaf, Maria Callas, Oscar Wilde oder Jim Morrison.“
Auf Grabsteinen im Stadtbezirk Bad Godesberg stehen zahlreiche sehr
bekannte Namen aus der Zeitgeschichte. „Godesbergs alter Burg- und der
große Zentralfriedhof sowie die Handvoll kleinerer Gottesacker kommen
nüchtern daher. Obwohl auch hier, besonders unterhalb der Godesburg,
kunstvolle Jugendstilornamente, zu Stein gewordene Engel und herrschaftliche
Grabstätten zu bewundern sind“ hat die Journalistin bei zahlreichen
Besuchen auf den Friedhöfen festgestellt. Aber die Prominenz, die
sich hier hat bestatten lassen, stammt weniger aus der Glamourwelt des
Showbusiness, sondern vor allem die Geschichte der aufstrebenden ehemaligen
Bundeshauptstadt sowie von Menschen, die sich gegen den Nationalsozialismus
engagierten, von Menschen, die den westlichen Teil Deutschlands wieder
aufbauten und daraus eine stabile Demokratie formten. (...)
Der Nordfriedhof in Bonn ist Ruhestätte für Menschen verschiedener
Kulturen und Religionen. Georg Schwedt stellt die verschiedenen Facetten
des 1884 eröffneten Friedhofs in einem neuen Buch vor.(...)
Und es sind die Schicksale, die Schwedt immer wieder auf den Grabsteinen
entdeckt und die ihn berühren. So wie das des jungen Jurastudenten,
der 1908 im Alter von 23 Jahren starb. Ein großer Engel aus Bronze
wacht über seinem Grab. „Welche Geschichte steckt wohl dahinter?“,
fragt sich Schwedt. Nicht nur wegen der imposanten Figur. „Das Grab wird
selbst nach 116 Jahren immer noch gepflegt.“ Eine Schale mit Frühlingsblumen
zeugt davon, dass erst vor Kurzem wieder jemand vor Ort war. (...)
„Besonders fasziniert bin ich zudem von der Natur. Das ist nicht nur
ein Friedhof, sondern eine einmalige Parkanlage mit altem Baumbestand.
Der Nordfriedhof ist eine grüne Oase mitten in Bonn.“ Mit seinem Buch
hat er nicht nur einen Wegweiser für Besucherinnen und Besucher geschrieben,
sondern er gibt auch ergänzende Hintergrundinformationen zu den Religionen
und Kulturen. (...)
Seit einigen Jahren gibt es einen ganzen Markt an schön gestalteten
Erinnerungsbüchern, in denen Mama, Papa, Oma und Opa Ereignisse ihres
Lebens aufschreiben können, um so eine persönliche Erinnerung
für die nächste Generation zu schaffen. (...)
Johanna Förster hat 1988 für ihre Enkelin eine Kladde mit
den Aufzeichnungen ihres Lebens angelegt, beginnend mit ihrer Geburt 1919
und endend mit ihrer zweiten Tochter 1951: So hat sie das Leben, so wie
sie es vorgefunden und sich zu eigen gemacht hat, in seiner ganzen Fülle
mit allen beglückenden und auch beängstigenden Momenten zu Papier
gebracht. (...)
Der ungeschönte, aber nie anklagende Blick auf eine von Entbehrungen
geprägte Kindheit, der nüchtern lakonisch anmutende, bisweilen
von feiner Selbstironie durchzogene Erzählton macht die Ausmaße
physischer und psychischer Bedrängnis von Seiten der Mutter erfahrbar.
(...)
Dankbarkeit und Liebe erwachsen aus den Höhen und Tiefen eines
Lebens. Sie sind ein wertvolles Gut, das in dieser Lebensgeschichte in
Gestalt dieses Buches weitergegeben wird und Spuren hinterlässt.
Minea Süss (Bücher Bartz Beuel), General-Anzeiger
(9./10. März 2024)
+++ Kindheit, Jugend und frühe
Jahre des Revolutionärs Carl Schurz
+++
Ein fast Unbekannter
Der Solinger Olaf Link hat ein Buch veröffentlicht, das sich diesmal
mit der Kindheit, Jugend und den frühen Jahren des Revolutionärs
Carl Schurz beschäftigt. Damit bleibt Olaf Link seinem Thema, der
Revolution 1848/1849 treu – und würdigt mit seinem Buch einen Menschen,
der sich für Freiheit, Gleichheit und Solidarität eingesetzt
hat, wie Link im Vorwort schreibt.
Doch wer war dieser Mann? Einige wissen vielleicht, dass Straßen
im Städtedreieck nach ihm benannt wurden. Aber mehr? Dabei hat es
Schurz weit gebracht: Von 1877 bis 1881 war er Innenminister in Amerika
– wenn auch heute kein unumstrittener, trug der doch zur Etablierung der
Rassentrennung in den USA bei. Dieser Lebensabschnitt kommt im Buch zwar
nicht vor, aber auch ohne die Weiterführung der Geschichte ist das
schmale Taschenbuch lesenswert. (...)
Der 2010 von der Parkbuchhandlung ins Leben gerufene Bad Godesberger
Literaturwettbewerb erreicht auch in diesem Jahr mit der Herausgabe eines
Buches seinen Höhepunkt. Der Beueler Kid Verlag des ehemaligen Godesberger
Gesamtschullehrers Hans Weingartz gibt Mitte November die Zusammenschau
aller Gewinnertexte heraus. Auch in diesem Jahr hatten sich wieder zahlreiche
Autoren aus ganz Deutschland, aus Österreich und der Schweiz mit neuen
Texten aller literarischen Gattungen, also Lyrik, Prosa und Drama, beteiligt.
(...)
„Alle Texte sind hochkarätig", freut sich Initiatorin Barbara Ter-Nedden
und sagt weiter: „Durch den Godesberger Literaturpreis wurde schon so manches
versteckte Talent entdeckt und ein Einstieg in die größere Verlegung
der Texte geboten."
Ebba Hagenberg-Miliu, General-Anzeiger (10. November 2023)
(...) Johannes Wilkes veröffentlicht nun die berühmte Liebesgeschichte
(zwischen
Gabriele Münter und Wassily Kandinsky) unter dem Titel „Zwei Blaue
Reiter“. Unter dem Namen „Der Blaue Reiter“ hatten Wassily Kandinsky und
Franz Marc vor dem Ersten Weltkrieg gemeinsam Ausstellungen und einen Kunstalmanach
gestaltet. Die Künstler im Umfeld des Blauen Reiters waren wichtige
Wegbereiter der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts. Sie bildeten ein lockeres
Beziehungsnetz. Im Anhang des Buchs ist viel über sie zu erfahren.
(...)
Nach 1916 entwickelte sich Hass und Streit. Gabriele Münter schenkte
der Kunstwelt dennoch Unersetzliches: Sie rettete einen bedeutenden Teil
der Werke Kandinskys durch die Zeit des Zweiten Weltkriegs. 1957 schenkte
sie der Stadt München eine Auswahl ihrer eigenen Bilder, alle Werke
Kandinskys aus ihrem Besitz und einige Gemälde des Blauen Reiter.
Mit mindestens dem gleichen Recht wie Franz Marc kann sie also als „Zweiter
Blauer Reiter“ gelten.
(...) Wilkes versucht die Stimmung dieser Tage in seinem Buch aufleben
zu lassen, begleitet Münter und Kandinsky durch den Ort (Kallmünz)
und versucht einfühlsam ihre Geschichte zu erzählen. (...) Aber
Wilkes hat sich intensiv mit den Quellen, Briefen und Aufzeichnungen befasst,
er hat sich die Bilder, die in dieser Zeit entstanden sind, genau angeschaut
und so eine Erzählung geschaffen, die den Geschehnissen nahekommt.
Kein Sachbuch, aber auch keine Fiktion. (...)
Heribert Biesenhuber, Murnauer Tagblatt (30. Januar 2024)
(...) Eine Geschichte, die mit viel Sachkenntnis unterlegt ist - und
ein weiterer Beitrag zur kollektiven Erzählung der Jenischen aus Deutschland
und Europa insgesamt.
Familiengeheimnis inspiriert Mehlemer
zu einem Roman
(...) Die Romanfigur gehöre nicht zu den Sinti und Roma, sondern
zu einer anderen, aber über Jahrhunderte ebenso ausgegrenzten und
von den Nazis verfolgten Volksgruppe, den Jenischen, früheren Landfahrern,
erklärte der Buchautor kürzlich bei seiner Lesung für die
Reihe „Bob & Manu“, also Bonner Bücher und Manuskripte des Verbands
deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Viele Nachfahren dieser
Jenischen outeten sich wie die Romanfigur trotz eigener Sprache und Kultur
möglichst nicht, ergänzte Vater im Trinkpavillon vor einem verdutzten
Publikum. Fußballstars wie Rafael van der Vaart und Antoine Griezmann
seien Ausnahmen.
Und dann bekannte Klaus Vater, der einst Sprecher von Bundesministerien
und unter der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel auch stellvertretender
Regierungssprecher war, dass er selbst eine jenische Urgroßmutter
hatte. Die habe er erst „sehr spät und rein zufällig“ entdeckt.
„Ich war verblüfft, danach neugierig“, berichtete Vater im GA-Interview.
„Denn über Abstammung oder damit Zusammenhängendes wurde während
meiner Kindheit nach 1945 nicht geredet.“ (...)
(...) Mit Kleine Furcht greift der Journalist und Autor Klaus
Vater in Romanform die Geschichte der Jenische im Rheinland auf - über
die den meisten von uns wenig bekannt sein dürfte.
G.L., Schnüss (2024 | 01)
Der merkwürdige Junge, der
von unten kommt
(...) Sie (die Jenische) wurden von den Obrigkeiten über
Jahrhunderte drangsaliert, von den Nazis als „Asoziale“ und als „nach Zigeunerart
Lebende“ verfolgt, zwangssterilisiert und auch in KZs ermordet. Auch nach
1945 wurden sie weiterhin diskriminiert und stigmatisiert. „Kleine Furcht“
ist eines der wenigen literarischen Zeugnisse über diese Volksgruppe.
(...).
Die Beuelerin und pensionierte Lehrerin Karla Marx lässt in ihrem
neu erschienenen Buch verstummte Lieder von KZ-Häftlingen wiederaufleben.
(...)
Karla Marx, Jahrgang 1953, ist Musikpädagogin. Sie hat in der Beueler
Musikschule Mehlemsches Haus, in Poppelsdorf, Küdighoven und Godesberg
musikalische Früh- und Hörerziehung gelehrt sowie Chöre
geleitet. In der Marktschule in Pützchen war sie Lehrerin für
Musik, Religion und Deutsch. Zuvor hatte sie an der Universität über
das Thema Lieder aus den Konzentrationslagern gearbeitet, was sie Jahrzehnte
später 2021 auf Einladung des Dokumentationsvereins KZ Hersburg noch
einmal in einem viel beachteten Vortrag in Wort und Ton präsentierte.
Gesammelt hatte Marx hier natürlich nicht die von der SS damals verordneten
Tschingdarassabumm-Nazilieder, sondern überlieferte, von den Häftlingen
selbst komponierte und getextete Schmerzenslieder. Und daraus hat die Beuelerin
jetzt ihr Buch „Verstummte Lieder wieder zu hören“ gemacht. (...)
Da holt sie das ergreifende Sehnsuchtslied „Ich wandre durch Theresienstadt,
das Herz so schwer wie Blei“ der 1944 im KZ ermordeten tschechisch-jüdischen
Schriftstellerin Ilse Weber wieder aus der Versenkung. Deren Mann Willi
hatte es kurz vor ihrem Gang in die Gaskammer noch im Boden eines Schuppens
versteckt. (...)
Mit ihrer Dokumentation “Verstummte Lieder wieder zu hören” erweckt
Karla Marx über 150 in den KZ gesungene Lieder zum Leben und verneigt
sich posthum vor ihnen – als ein Mahnmal gegen das Vergessen. (...)
Im Hauptteil ihrer Dokumentation wird sichtbar, dass das Singen in den
Arbeitslagern zwei unterschiedliche Dimensionen umfasste. So stehen auf
der einen Seite die Lieder, die von der SS gezielt als Strategie der Entwürdigung
der Häftlinge eingesetzt und befohlen wurden, etwa beim Marschieren
und bei Strafaktionen. Hier gab es Schläge und Fußtritte, wenn
die Gefangenen die Volks-, Marsch- und Soldatenlieder etwa absichtlich
falsch intonierten, zu leise sangen oder sich gar weigerten.(...)
Karla Marx‘ Dokumentation ist eine sehr verdienstvolle, ehrenrettende
und gelungene Würdigung der Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung
– einer bis heute unfassbar erscheinenden, immer wieder aufs Neue sprachlos
machenden menschlichen Katastrophe. Indem sie die Seelen der Inhaftierten,
ihre Ängste, Sehnsüchte und Liebe anhand ihrer Lieder in ihrer
Menschlichkeit wiederauferstehen lässt, gelingt ihr mehr, als nur
den Blick auf die unverstellbaren Demütigungen, Erniedrigungen und
sadistischen Misshandlungen in den KZ zu lenken.
Anders als in vielen auflistenden und beschreibenden Dokumentationen
gelingt ihr damit nämlich, bis zur Seele der Menschen vorzudringen
und das Leid fühlbar und fassbar zu machen, was ihre Arbeit einzigartig,
unverzichtbar und unentbehrlich macht. Es wäre dem Buch zu gönnen,
dass viele seinen kulturellen und pädagogischen Nutzen aufgreifen
Einen Podcast über eine Veranstaltung am 9.11.2023 in der Versöhnungskirche
in Bonn-Beuel finden Sie auf dieser Seite.
In dem Podcast kommt die Initiatorin der Veranstaltung, Karla Marx, zu
Wort. Außerdem gibt es Auszüge aus den Verstummten
Liedern von KZ-Häftlingen, die auf der Veranstaltung am 9.11.2023
neu erklangen.
+++ Flucht
der Juden über die Grüne Grenze (1933 - 1945) +++
Vergleich zwischen der damaligen
und heutigen Motivation und Methoden zur Flucht
(...) Hans-Dieter Arntz konnte während seiner exemplarischen Forschungen
mehr als 100 jüdische Flüchtlinge, aber auch "Judenschlepper"
und "Judenfänger" ausfindig machen und hierüber schon im Jahre
1990 international beachtete Ergebnisse publizieren. Interessant sind auch
die Kapitel, die sich mit der Zeit befassen, als Eupen/Malmedy nach dem
Einmarsch der deutschen Truppen am 10. Mai 1940 wieder "heim ins Reich"
zurückkehrte. Damit verschob sich die deutsche Reichsgrenze nach Westen
und die Art der Flucht und des "Menschenschmuggels" veränderte und
verlagerte sich.
Was das Buch vielleicht etwas von anderen unterscheidet, sind die abschließend
im Epilog genannten Erfahrungen der geretteten und interviewten jüdischen
Flüchtlinge sowie der Vergleich zwischen der damaligen und heutigen
Motivation und Methode zur Flucht. Dem Autor war es wichtig, in der Einleitung
sowie im Epilog einen Bezug und einen Vergleich zur Gegenwart zu sehen!
Zudem wagt er eine Prognose für die Zukunft.
Auf die Frage, weshalb sich Hans-Dieter Arntz in seinem neuen Buch erneut
mit dem Thema Flucht befasst, erwähnt dieser den Vorschlag mehrerer
Nachkommen Euskirchener Juden. In Briefen und Telefonaten regten sie an,
wegen der derzeitigen "Flüchtlingskrise" erneut an ihr Schicksal während
der Zeit des Nationalsozialismus zu erinnern und dies mit der gegenwärtigen
Situation zu vergleichen. (...)
Presseamt Kreisverwaltung Euskirchen (März 2023)
Durch die Wälder entkommen
Schon immer habe es Menschengruppen gegeben, die in großer Zahl
aus ihrem Land fliehen mussten, sagt der Euskirchener Regionalhistoriker
Hans-Dieder Arntz. Der Grund dafür sei die Gefährdung oder Verfolgung
dieser Menschen in ihrem Herkunftsland - aus politischen, ideologischen
oder religiösen Motiven.
Seit jahren sei Deutschland nun vermehrt Zielort der Migration gewesen,
sagt Arntz. Zur Zeit der NS-Diktatur hingegen habe es anders ausgesehen.
Um daran zu erinnern, schrieb er sein neues Buch "Flucht der Juden über
die Grüne Grenze". (...)
Von "Judenschleppern", "Judenfängern"
und "Judenrettern"
"1.000 RM sollte ich für die Flucht nach Belgien bezahlen," berichtet
der 1915 in Strempt bei Mechernich geborene Erich Nathan in seinen Erinnerungen
über seine Flucht aus Nazi-Deutschland im November 1938, die Dieter
Arntz in seinem neuen Buch über die Flucht der Juden über die
"Grüne Grenze" in den Jahren 1933 - 1945 veröffentlicht. (...)
Der Autor konnte während seiner Forschungen mehr als hundert jüdische
Flüchtlinge, aber auch "Judenschlepper" und "Judenfänger" ausfindig
machen und hierüber schon im Jahre 1990 international beachtete Ergebnisse
publizieren.
Heinz Godesar, Grenzecho-Magazin (Eupen), (12. Mai 2023)
Damals und heute: Autor sieht Ähnlichkeiten
bei Fluchtgründen
(...) "Interessant sind auch die Kapitel, die sich mit der Zeit befassen,
als Eupen/Malmedy nach dem Einmarsch der deutschen Truppen am 10. Mai 1940
wieder 'Heim ins Reich' zurückkehrte. Damit verschob sich die deutsche
Reichsgrenze nach Westen, und die Art der Flucht und des 'Menschenschmuggels'
veränderte und verlagerte sich", so der Autor.
"Was das Buch vielleicht etwas von anderen unterscheidet, sind die abschließend
im Epilog genannten Erfahrungen der geretteten und interviewten jüdischen
Flüchtlinge sowie der Vergleich zwischen der damaligen und der heutigen
Motivation und Methode der Flucht", sagt Arntz. Dem Autor war es wichtig,
in der Einleitung sowie im Epilog einen Bezug und einen Vergleich zur Gegenwart
zu sehen. Zudem wagt er eine Prognose für die Zukunft.
Wochenspiegel (Euskirchen - Schleiden), (21. Juni 2023)
Flucht der Juden über die Grüne
Grenze
(...) Die bewaldete deutsch-belgische Grenze im Eifel-Ardennen-Gebiet
zwischen Losheim und Aachen diente seit 1933 zur Flucht über die „Grüne
Grenze“. Der Autor konnte während seiner exemplarischen Forschungen
mehr als 100 jüdische Flüchtlinge, aber auch „Judenschlepper“
und „Judenfänger“ ausfindig machen und hierüber schon im Jahre
1990 international beachtete Ergebnisse publizieren.
Als Eupen/Malmedy nach dem Einmarsch der deutschen Truppen am 10. Mai
1940 wieder „heim ins Reich“ zurückkehrte und sich somit die deutsche
Reichsgrenze nach Westen verschob, verlagerte sich auch die Form der Flucht
und des „Menschenschmuggels“. (...)
haGalil
(„größtes jüdisches Online-Magazin in deutscher Sprache“),
Israel (5. Juli 2023)
Unerreicht
(...) Arntz gelingt es dabei mithilfe zahlreicher Quellen unterschiedlicher
Gattungen seine Schilderungen über die regionale Fluchthilfe zu veranschaulichen
und wissenschaftlich zu stützen. Das Werk überzeugt durch seine
inhaltsspezifische Quantität, welche in Bezug auf das Thema Fluchthilfe
im Aachener Grenzgebiet unerreicht ist. (...)
Sebastian Vonhoegen, Wege gegen das Vergessen - Zeitschrift
der NS-Dokumentationsstätte Aachen (Ausgabe 1 - 2023)
Georg Schwedt veröffentlicht Betrachtungen von zwei Bonner Professoren
über den Roisdorfer Mineralbrunnen aus der frühen Zeit seines
Bestehens vor rund 200 Jahren. Die Lektüre hält manche Überraschung
parat.
Auf 164 lesenswerten Seiten stellt Schwedt die historischen Beschreibungen
der beiden Bonner Professoren Bischof und Harless in den Mittelpunkt von
„Der Roisdorfer Brunnen - das Selterswasser vom Vorgebirge“. Der Geologe
und Chemiker Gustav Bischof sowie der mit ihm befreundete Mediziner Christian
Friedrich Harless gehörten zu den ersten Wissenschaftlern, die 1826
über den Roisdorfer Brunnen berichteten. Schwedt kommentiert die Schriften
von Bischof und Harless und setzt sie in den Kontext des 21. Jahrhunderts.
Darüber hinaus vermittelt sein Buch profunde Kenntnisse zur Geologie
und Flora von Roisdorf. Nicht nur heimatkundlich Interessierte werden ihre
Freude an den Beschreibungen Bischofs haben, der sich vor rund 200 Jahren
ausführlich mit der Landschaft rings um Roisdorf beschäftigte.
„Nach Cöln kann man ohne Anstrengung in einem Tag hin und wieder zurückkommen
(…). Die Fahrt nach Bonn und wieder zurück erfordert nur einen Nachmittag.“
(...)
Alle reden vom Mond, aber was weiß
man schon vom Mond?
In diesem Büchlein versucht der Verfasser,
sich dem Mond auf poetische Weise zu nähern, mit Gedichten und Wortspielen,
die nicht ganz ernst zu nehmen und vom Autor selbst illustriert sind. Sie
sind gedacht für ein breites Publikum, junge und jung gebliebene Menschen
von 7 bis 77 Jahren, die Spaß haben an diesen oft überraschenden
Geschichten, die der Berichterstatter aus einer zuverlässigen Quelle
erfahren hat, die aber nicht genannt werden will.
Ein unterhaltsames Büchlein zum schmunzelnden
Lesen!
Der altgediente aber immer noch streitbare Kommunalpolitiker
und dennoch sanfte Poet, Richard Pestemer, hat im Bonner Kid Verlag
einen weiteren Haiku-Gedichtband, also dreizeilige Kurzgedichte im japanischen
Stil veröffentlicht. Diesmal war es ein gemeinsames Projekt mit der
jungen Grafik-Künstlerin Hannah Molter aus Grimburg. „Von Moment zu
Moment“, so der Buchtitel, durchschreiten Richard Pestemer und Hannah Molter
den Zeitraum vom 2. Februar 2020 bis zum 15.Februar 2022 die Corona-Pandemie
bis hin zum Beginn des Ukrainekrieges mit ihren 35 Haiku und den dazu angefertigten
graphischen Darstellungen, welche in dieser Symbiose haiga (wörtlich
Haiku mit Bild) bezeichnet werden. Und in all den Irrungen und Wirrungen
in der Corona-Pandemie, die weltweit die Menschen durchrüttelte, berührte
sie dabei zutiefst die majestätische Schönheit des Schwarzstorches:
Des Morgens erwacht:
Hebt ab mit breitem Flügelschlag
Himmelwärts der Schwarzstorch (...)
Besser könnte der Titel dieses Buchs nicht
gewählt sein. Der Moment, dieses flüchtige Etwas, das jeder kennt,
aber niemand festhalten kann. Oder doch? Mit Worten? Dann aber den richtigen.
Und Pestemer hat es raus, sich diese Haiku-Momente mit Worten anzunähern.
Dabei geht es ihm nie um „das Beschreiben“ oder „die Erkenntnis“. Ein Moment
manifestiert sich gerade eben in dieser flüchtenden, unbestimmten
Gedankenplötzlichkeiten, jegliche Anmaßung und Besitzbeanspruchung
löscht ihn augenblicklich aus. Und Pestemer findet die richtigen Worte
... leicht, unbeschwert, manchmal scheinbar unschuldig und zufällig
auf das Papier geraten, erzeugen sie im Nachhall diese kurze undefinierbare
Zeitspanne des absichtsfreien Gedankenflugs. Dieses kleine, feine Buch
versammelt viele kleine Ausflüge in die Gedankenwelt hinter den Buchstaben,
und dazu passend steuert Hannah Molter vielschichtige Illustrationen bei.
Mal plakativ, holzschnittartig, dann wieder sehr leise und bescheiden im
Format ausgespielt. Ein perfektes Zusammenspiel.
Ich habe dieses Buch nicht von vorne nach hinten
und schon gar nicht am Stück gelesen. Springen, verweilen, abdriften.
Von einem Moment zum nächsten.
Das Wasser an der Quelle eines Bachlaufs würde Georg Schwedt bedenkenlos
trinken. Ober auch das Wasser des Bornheimer Bachs trinken würde?
Schwedt lacht. „Eher nicht“, sagt er. Dabei denke er jedoch mehr an mögliche
Verunreinigungen durch Tiere als durch gefährdende Inhaltsstoffe.
Während der 79-jährige emeritierte Chemieprofessor spricht, steht
er auf einer Brücke und lässt einen Kunststoffbecher an einer
langen Schnur in das unter ihm leicht dahinfließende Wasser des Bornheimer
Bachs sinken. Später wird er die Probenentnahme mithilfe seines mitgebrachten
Analysekoffers auf Härte-, Mineral- und Nitratgehalt hin untersuchen.
Fast 70 Mal hat er solche Untersuchungen bereits an verschiedenen Stellen
der Bornheimer Bäche für sein aktuelles Buch durchgeführt.
Dieses widmet-sich den Gewässersystemen des Alfterer-Bornheimer Bachs
und des Dickobsbachs im südlichen Vorgebirge. Auf 148 Seiten berichtet
Schwedt von seinen Exkursionen, die neben den Wissenschaftlich ermittelten
Wasseranalysen auch viel Historisches zu den Orten, zu Mühlen, Burgen
und Schlössern enthalten, die er im Umkreis der Bäche und ihrer
Zuflüsse besucht hat.
Mit vielen anregenden Details ist dabei eine naturhistorisch-ökologische
Gewässerkunde entstanden, mit der Schwedt Anwohner, Wanderer und Naturliebhaber
ansprechen möchte. (...)
Stefan Hermes, General-Anzeiger (22. November 2022)
Wasseranalyse im Vorübergehen
„Mein Labor habe ich immer dabei“, schmunzelt
Georg Schwedt. Das kleine blaue Plastikköfferchen wirkt auf den ersten
Blick ein wenig unscheinbar, fast wie ein Spielzeug. Doch der erste Eindruck
täuscht. Mit den darin verstauten Pipetten, Röhrchen und Bechern
analysiert der emeritierte Chemie-Professor in wenigen Minuten auf seinen
Spaziergängen die Inhaltsstoffe und Wasserqualitäten von Bächen
und kleinen Flüssen. Im Sommer machte er gemeinsam mit seiner Frau
Heidrun einen Streifzug durchs Vorgebirge, genauer gesagt durch die Gewässersysteme
rund um den Alfterer-Bornheimer Bach etwa von Gielsdorf über Roisdorf,
Brenig bis Widdig und Grauheindorf und den Dickopsbach. Dazu gehört
das Gebiet um Sechtem undWesseling-Keldenich. (...)
Schwedt betont, sein Buch sei keine reine Forschungsstudie.
Er habe seine Ergebnisse immer in einen naturhistorischen Kontexteingebunden.In
seineganzheitliche Sicht der Gewässerkunde flossen so archäologische
und historische Aspekte mit ein. Schwedt erfasste, wo Bachläufe in
der Vergangenheit begradigt, verrohrte oder renaturiert wurden. Von der
Wasserwirtschaft bis zur Ökologie reicht seine Beobachtung, vom Natur-
und Umweltschutz bis zu den Gefahren, die etwa durch Dürre oder Überflutungen
bestehen. (...)
Frank Engel-Strebel, Rhein-Sieg-Rundschau (2. Januar 2023)
+++ Der Bonner Apotheker
Marquart und die Farben der Blüten
+++
Ludwig Clamor Marquart war erst
Apotheker, dann Fabrikbesitzer
Der Chemiker Georg Schwedt porträtiert in seinem neu veröffentlichten
Buch den Apotheker und Fabrikinhaber Ludwig Clamor Marquart - einen der
namhaften Bonner Unternehmer des 19. Jahrhunderts. (...)
Was tun, wenn man sich dann als 38-Jähriger in die Tochter eines
Bonner Justizrats verliebt hatte und mit ihr eine Familie gründen
wollte? Marquart zog die Risikokarte. Er erwarb 1847 mit der finanziellen
Hilfe seines künftigen Schwiegervaters ein noch frei von Wohnbebauung
liegendes Grundstück an den Feldern Kessenichs und legte dort den
Grundstein für sein Unternehmen. Fortan wurden am heutigen Bonner
Talweg Feinchemikalien, Reagenzien, Säuren und pharmazeutische Präparate
hergestellt, anfangs vom Chef selbst und einem einzigen Lehrling, 1849
waren dann schon 19 Arbeiter beschäftigt, 1873 waren es rund 70. (...)
Die Tradition von Marquarts Unternehmen wird übrigens lokal bis
in die Gegenwart fortgesetzt, berichtet der Buchautor. Chemikalien und
Laborgeräte werden heute von den Firmen Evonik in Beuel und C. Gerhardt
in Königswinter produziert. Carl Heinrich Gerhardt, der Gründer
der heute von den Nachfahren des Malers August Macke geleiteten Firma,
hatte noch bei Marquart selbst gelernt: Er war einer seiner Lehrlinge.
(...) Der Autor versteht es meisterhaft, Zusammenhänge zu recherchieren
und so ein lesenswertes Bild von über 100 Jahre Apotheken-, Wissenschafts-
und Industriegeschichte anhand der Biographie Marquarts zu entwickeln.
H. Goetzendorff, Pharmaziehistorische Bibliographie (31. Jahrgang
- 2023)
Ansprechend bebilderte Untersuchung
Der in Bonn lebende Chemiker und Hochschullehrer (Siegen, Göttingen,
Stuttgart, Clausthal) Georg Schwedt hat dem bedeutendsten Bonner Apotheker
und pharmazeutisch-industriellen Fabrikgründer des 19. Jhs., Ludwig
Clamor Marquart (1804–1881), diese ansprechend bebilderte Untersuchung
gewidmet. Die Biographie Marquarts und dessen Dissertation über „Die
Farben der Blüten“ stehen imVordergrund. Tatsächlich war es Marquart,
der in dieser chemisch-physiologischen Abhandlung (1835 in Heidelberg als
Dissertation angenommen) erstmals die Namen Anthocyane für rote und
blaue und Anthoxanthine für gelbe Blütenfarbstoffe prägte.
(...)
Schwedts Darstellung unterstreicht, dass Biographie und Unternehmertätigkeit
Marquarts eine neue Bearbeitung auf Basis der jüngeren Forschungen
zur Pharmaziegeschichte verdient hätten.
Hermann Schäfer, Das Historisch-Politische Buch (Jahrgang
70, Heft 1 - 4)
Ein Bild des Beueler Miniaturmalers Christian Sticher (1878-1951), der
einst an der Combahnstraße wohnte, begleitet Sylva Harst schon ihr
Leben lang. Entstanden ist es vermutlich 1926. Sticher hatte damals ihre
Mutter und ihre Tante in jungen Jahren gezeichnet. „Es muss wirklich eine
sehr schöne Arbeit gewesen sein“, erinnert sich die heute 81-jährige
Beuelerin. Allerdings kennt sie nur eine Fotografie des Werks, das Original
wurde offenbar in die Schweiz verkauft. Die Erinnerung an dieses Bild war
vor gut eineinhalb Jahren jedoch der Anlasse für Harst, sich intensiver
mit Malern, die einen Bezug zu Beuel haben, zu beschäftigen. Nach
und nach entdeckte sie immer mehr Dokumente und Informationen. Entstanden
ist ein Buch, das sich mit dem Leben und der Arbeit dieser Künstler
beschäftigt. (...)
Von Kindesbeinen an ist das Gemälde des Miniaturmalers Sticher,
das ihre Mutter und ihrer Tante als hübsche junge Damen zeigt, zu
ihrem Leben präsent. „Und plötzlich wusste ich, dass ich ein
Buch über Beueler Maler schreiben wollte. Die Auswahl ist mir sehr
schwergefallen, denn man glaubt gar nicht, wie viele Künstler einen
Bezug zu Beuel haben“, erklärt sie. Am Ende haben es 34 von ihnen
in ihr Buch „Maler in Beuel – Beueler Maler“ geschafft. (...)
(...) Die 81-jährige Autorin beschreibt Leben und Schicksal Beueler
Maler, deren Leben nachdenklich macht, begeistert sowie Respekt und Bewunderung
fordert. Ein Buch, das den Leser auf eine kleine, aber beeindruckende Reise,
auch durch deutsche Geschichte mitnimmt (...)
(...) Sylva Harst hat mit großer Akribie die Lebensläufe
ganz unterschiedlicher Künstler(-innen) zusammengetragen und auf knapp
300 Seiten ein Stück Bonner Kulturgeschichte verfasst - auch wenn
sie es bescheiden so nicht nennt. (...)
kultur - Magazin der Theatergemeinde Bonn | November 2022
(...) Nach der Sommerpause wird die kontroverse
Diskussion zwischen der Universitätsleitung, der Stadtverwaltung und
dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW weitergehen. ln welchen Interimsbauten
und wo in diesen zehn Jahren der Lehr- und Forschungsbetrieb fortgeführt
werden kann. Die Uni plädiert für Ersatzgebäude direkt am
Hofgarten, die Stadtverwaltung eher für eine Verteilung in der City.
Zeitlich genau richtig kommt da der Lokalhistoriker Norbert Flörken
mit einem reich mit Bildern und historischen Quellen ausgestatteten Buch
über die bewegte Geschichte des Gebäudekomplexes am Regina-Pacis-Weg
heraus.(...)
Ebba Hagenberg-Miliu, General-Anzeiger (18. August 2022)
Alte Ansichten, Bilder und Texte,
um die Entwicklung anschaulich darzustellen
Das ehemalige Kurfürstlíche Residenzschloss in Bonn ist
heute das Hauptgebäude der Bonner Universität. Es wird in den
nächsten 10 Jahren grundlegend saniert. Der Bonner Historiker Norbert
Flörken hat dies zum Anlass genommen, um in Bilder und Texten die
wechselvolle Geschichte über die Jahrhunderte nachzuzeichnen. (...)
Flörken schildert die Geschichte nicht in einem durchgehenden Text,
sondern bedient sich alter Ansichten, Bilder und Texte, um die Entwicklung
anschaulich darzustellen. Er beginnt mit einem Kupferstich von 1575 und
endet mit Bildern der großen Demonstration von 1981. Dazwischen liegen
markante Daten, an denen das Schloss bildlich oder textlich erwähnt
wird. So 1646 im Stadtplan des Verlegers Merian oder in den Plänen
der Baumeister Zuccali und de Cotte Anfang des 18. Jahrhunderts. Wie das
Schloss um 1760 im Inneren angelegt war, hat 1901 ausführlich F. Hauptmann
beschrieben. Dessen detaillierte Beschreibung der Räume macht ein
Viertel des Buches aus. Ein weiteres Dokument ist die „Hoff-Aufwartungs-Instruction“
von 1722, die über mehrere Seiten genau festlegt, wo und in welcher
Reihenfolge sich der Hofstaat aufzustellen hatte. Interessant ist auch
ein Bericht Casanovas über den Besuch eines Maskenballs im Schloss.
Weiter finden sich verschiedenen Reiseschilderungen, wie etwa im berühmten
Baedeker. Das 20. Jahrhundert wird ausschließlich über Fotos
dokumentiert, vor allem der Zustand des Schlosses nach dem Bombenangriff
1944.
Hans-Paul Höpfner, Das Historisch-Politische Buch 69
(2021) 3-4
(...) Was die Schönheit des Buchs angeht,
so liegt auf der Hand: Titel und Einbandfarbe sind identisch und geben
mit der feinen, ruhigen Ausstrahlung bereits einen ersten Hinweis auf die
besondere Art und Weise des Erzählens. Denn an ein Publikum, das nicht
an Grellem, Buntem, Schillerndem Geschmack findet, sondern an der Kraft
bewahrter Wörter Freude hat, wendet sich das Buch.
Von Menschen, die diese Sprache sprechen und verstehen,
handelt das Buch. „Ich kann mich nicht von meiner poetischen Sprache trennen“,
erklärt Barbara Hundgeburt, die bisher Gedichte, Geschichten
und eine Erzählung veröffentlichte. (...)
Die Menschen und Landschaften ihrer heutigen Heimat hätten ebenso
Einzug in den Roman gehalten wie Ortshistorien, Wissen über altes
und neues Handwerk, Orgelbau und Orgelmusik, geistliche und philosophische
Themen. (...)
Spürbar Sand im Getriebe hat die Auftaktveranstaltung
zum Herbstprogramm des Bonner Literaturhauses. Wenn ein Roman in Form einer
Autorenlesung mit Gespräch vorgestellt werden soll, dann ist es sinnvoll,
sich auf ebendiesen Roman zu konzentrieren - und nicht zu viele Themenfässer
aufzumachen. (...)
Dass der Abend dennoch seine Momente hat, ist dem Charisma und
der Lebensweisheit von Barbara Hundgeburt zu verdanken. "Ich kann nicht
anders, als zu schreiben. Mit Demut", sagt sie in Bonn. "Demut dem Thema
und der Sprache gegenüber, die ich so brauchen möchte, dass ich
dabei immer ein gutes Gewissen habe." Fast 20 Jahre habe sie an ihrem Roman
gearbeitet: "Vielleicht die schönste Zeit meines Lebens."
Hagen Haas, General-Anzeiger (7.9.2023)
Das meinen Leser zu dem Roman:
Der Roman ist eine raffiniert gestaltete Erzählung, die es versteht,
einerseits durchaus voranzueilen, und die dann wiederum in fast lyrischen
Passagen dem Leser die Möglichkeit gibt, mit und bei den vor seinen
Augen entstehenden Bildern zu verweilen. Die Autorin wie auch der Leser
gehen in diesem Roman ein Stück des Weges gemeinsam, und es ist eine
zufriedenstellende Vorstellung, dass beide nach der Lektüre etwas
aufrechter weitergehen werden.
Rainer Maria Gassen
Ein großes Leseerlebnis. Das absolut Eigenwertige, Besondere des
Romans ist die Art und Weise des Erzählens; nicht das Was, sondern
das Wie. Auf der Suche nach Beweisen einer Sprache, die der Welt gegenüber
standhält, kommt der Roman zu uns.
Friedhelm Wilke
Hauptmotive und Nebenhandlungen werden auf verschachtelte Weise zusammengefügt.
Dabei entsteht ein Gewebe aus Träumen, langsamem Erwachen und klaren
Wahrnehmungen. Der Autorin ist ein literarisch-poetischer Stil und ein
außergewöhnlich hohes Formulierungsvermögen zu bescheinigen.
Juroren der Stiftung „Kreatives Alter“
(...) Wie visualisiert man eine literarische Neuerscheinung,
die am Ende einen Showdown auf einem Golfplatz in Florida mit dem umstrittenen
Ex-Präsidenten als Hauptfigur bereithält? Man begibt sich mit
dem Fotografen auf den malerischen Mini-Golf-Platz im Rheinbacher Freizeitpark,
in dem Wissen, dass es hier viel schöner ist als beispielsweise im
Mar-a-Lago-Club. Und schnell sind die Bilder im Kasten. (...)
„Emil ist ein Held wider Willen, der unversehens
innerhalb eines moralischen Konflikts agieren muss: Darf er seine Fähigkeiten
dazu nutzen, eine Art Tyrannenmord zu begehen oder diesen zumindest zu
unterstützen?“, erläutert Detro. „Ich war bei diesen Gedankenspielen
über mich selbst erschrocken und habe Emil letztlich so handeln lassen,
wie ich es persönlich für richtig halte, zumal Emil durchaus
einige meiner Wesenszüge besitzt.“ Dass dabei der ehemalige amerikanische
Präsident ins Visier rückt, sei an dieser Stelle schon verraten.
„Die Frage nach dem Schierlingsbecher ist brandaktuell, wenn man sieht,
wie derzeit zum Beispiel über Putin diskutiert wird und wie viel Unheil
die Mächtigen der Welt immer wieder anrichten.“ (...)
Ist dieses Buch ein echter Detro? „Natürlich
erkennt man die erzählerische Sorgfalt, den feinen Humor, die genaue
Beobachtung und der behutsame Spannungsaufbau wieder, aber dieses Buch
ist in seiner Machart einzigartig. Ich pendelte in der Identifikation mit
dem sympathischen Helden genüsslich zwischen Schmunzeln und Schrecken“,
findet Gerd Engel von ‚Rheinbach liest‘ ... (...)
Zwei Dinge haben bei Günter Detro vor rund drei Jahren Fassungslosigkeit
und Entsetzen hervorgerufen: Zum einen das Auftreten und Handeln des damaligen
US-Präsidenten Donald Trump und zum anderen die Tatsache, dass ihm
persönlich in diesem Zusammenhang derart erschreckende, für sein
Empfinden geradezu unchristliche Gedanken in den Sinn kamen. Zum Beispiel
hat er sich gefragt: „Kann der nicht weg, egal wie?“ Das Gefühlschaos
und die theoretische Frage, wie man sich selbst verhalten würde, wäre
man in der Lage, einen Beitrag zu liefern, um beispielsweise einen untragbaren
Präsidenten zu entfernen, inspirierten den Rheinbacher Autor schließlich
zu seinem neuen Roman „Vorahnungen“. (...)
„Vorahnungen“ bietet auf 183 Seiten packende Unterhaltung. Der Roman
ist eine gelungene Mischung aus Realität und Fiktion. Darüber
hinaus ist das Werk des in Oberdrees lebenden Autors ein durch und durch
regionales Produkt: Erschienen ist es im Bonner Kid Verlag, und das Cover
wurde vom Wachtberger Künstler Norbert Bogusch gestaltet.
Sicher, es gibt genug Radwege in Bonn und der
Region, die zu wünschen übrig lassen. Aber wie bei vielen Dingen
ist auch die Beschaffenheit von Radwegen eine Frage des Blickwinkels. Wer
sich also wieder einmal über den Zustand von hiesigen Strecken echauffiert,
könnte sich mit Tim Weingartz unterhalten. Der 43-Jährige, ...,
würde dann vielleicht von seiner Radreise über die Insel Madagaskar
erzählen – wo ein Radler für eine 30 Kilometer lange Etappe auch
mal sieben Stunden benötigt. „Die Pisten sind so schlecht:
schlammig, matschig und sandig“, sagt Weingartz. Da sei man nach sieben
Stundenkomplett platt. (...) Dennoch, das merkt man in dem Gespräch
mit Weingartz sofort: Er erinnert sich gerne an die Tour durch Madagaskar.
(...)
In dieser Form sind die Kapitel beider Bücher aufgebaut: Nach einer
kurzen Einführung in das jeweilige Land beschreibt Weingartz, was
er auf seinen Reisen erlebt hat: subjektiv, ungefiltert, authentisch. Die
Bilder machen Lust aufs Radreisen. Weingartz‘ Bücher richten sich
nicht nur an andere Radreisende, die sich vielleicht in seinen Erlebnissen
und Berichten wiedererkennen. Auch Menschen ohne derartige Erfahrung werden
Spaß daran haben, mit Weingartz auf Entdeckungstour durch andere
Länder zu gehen. (...)
Christoph Meurer, General-Anzeiger (30. April / 1. Mai 2022)
+++ Von der Liegenden
mit Kind bis Mother Earth +++
Stehen einfach so darum
Man begegnet ihnen ›einfach so‹ im Vorübergehen,
und meist schenkt man ihnen kaum mehr Aufmerksamkeit als dem nächsten
Zebrastreifen: den Kunstwerken in Bonns öffentlichem Raum. Dabei ist
es doch ganz schön, dass es sie gibt, denn jedes dieser Kunstwerke
ist ja eine Einladung: zum Anschauen und Anfassen, zum Stehenbleiben und
Staunen, zum Sich-mal-ein-paar-an-dere-Gedanken-machen, zum Loben oder
Lästern, kurz zu all dem, wozu Kunst einlädt. (...)
Der Publizist Hans Weingartz hat sich auf die
Spuren all dieser (übrigens beachtlich vielen) Kunstwerke in unserem
öffentlichen Raum begeben. Er hat sie fotografiert, hat recherchiert,
wer sie wann schuf, wie und wann sie nach Bonn gekommen sind – und wie
sie hier angenommen wurden und werden. (...) Der schön aufgemachte
Bildband, den er dazu (...) publiziert hat, ist so sehens- wie lesenswert,
steckt voller interessanter Informationen und ist außerdem eine feine
Einladung (auch für Alteingesessene), mal wieder mit offene(re)n Augen
›durch die Stadt‹ zu gehen.
(...) Ein Buch, das ein Plädoyer dafür ist, wie schön
und wie wichtig öffentliche Kunst ist und wie sie eine Stadt bereichert
- egal, ob einem alles gefällt oder nicht.
kultur - Magazin der Theatergemeinde Bonn | Mai/Juni 2022
Auf Skulpturen-Entdeckungsreise
durch Bonn
(...) Wir lernen: Bei der Kunst im öffentlichen Raum reden und
entscheiden viele mit. Weingartz rekapituliert etliche Entscheidungswege
in seinem Buch. Zu seinen Auswahlkriterien zählt neben der chronologischen
Bandbreite eine (Weingartz: „Das gebe ich zu“) stark subjektive Komponente:
„Das Werk muss mir gefallen, mich interessieren.“ Viertes Kriterium: Das
Werk muss markant sein, sich im Stadtbild behaupten, daher darf die wie
ein Surfbrett an der Fassade des Kunstmuseums lehnende, bunte Fieberglasfläche
„In Seven Days Time“ von Katharina Grosse ebenso wenig fehlen wie Mark
di Suveros Stahlträgerskulptur „Allumé“ zwischen Bundeshaus
und Rhein, Henry Moores „Large two forms“ vor dem ehemaligen Bundeskanzleramt
oder Gustav Peichls 16 rostige Bundes-Säulen vor der Bundeskunsthalle.
(...)
Der Skulpturenführer öffnet den Blick für die Kunst im
öffentlichen Raum und führt zu der Erkenntnis, dass Bonn, was
das angeht, ganz gut ausgestattet ist.
Die jüngste Skulptur in Bonn steht am Bonner Bogen und wurde 2020
errichtet. Auf der Rasenfläche vor der Außenterrasse des Restaurants
Rohmühle blickt „Mother Earth“, eine Skulptur aus Edelstahl, die an
die Silhouette eines weiblichen Gesichts erinnert, in Richtung Rhein. Der
amerikanische Bildhauer Barton Rubenstein, der mit seiner Umweltinitiative
„Mother Earth Project“ Skulpturen wie diese weltweit platziert, möchte
mit seiner Kunst für mehr Nachhaltigkeit sensibilisieren, erklärt
Verleger und Buchautor Hans Weingartz vom Bonner Kid Verlag, der sich seit
vielen Jahren mit Kunst im öffentlichen Raum von Bonn befasst. Die
Idee für die Installation einer Mother Earth-Skulptur am Rhein kam
von einer Bonner Klimaschutzgruppe, erklärt Weingartz. „Eigentlich
wollte der Künstler die Skulptur 2017 anlässlich der Weltklimakonferenz
nahe dem UN-Campus errichten“, berichtet der Kunstforscher. „Das städtische
Kulturamt lehnte die Schenkung jedoch ab.“ Es seien vor allem Privatpersonen
und Unternehmen, die sich für die Errichtung und den Erhalt von Skulpturen
in der Region einsetzten, so der Autor.
Unweit von „Mother Earth“ befindet sich die Bronzeskulptur „Rhein Denker“
ebenfalls am Bonner Bogen. Die Skulptur von 2001 steht vor der Firmenzentrale
des Software-Herstellers SER. Der 7,8 Tonnen schwere Bronzeguss war Teil
eines Wettbewerbs, den SER ausgeschrieben hatte. Bildhauer Dieter W. Meding
gewann diesen mit seiner Bronzefigur, die einen Kopf in der Denkerpose
zeigt.
Wenige Gehminuten vom „Rhein Denker“ entfernt befindet sich ein besonderes
Kunstwerk, das auf dem ersten Blick kaum zu erkennen ist. Auf einer Fläche
von 3.600 Quadratmetern erstreckt sich „Future Garden“ an der Rheinpromenade.
Bei dem Projekt des amerikanischen Künstlerehepaares Helen Mayer Harrison
und Newton Harrison handelt es sich um eine 400 Jahre alte Eifelwiese,
die in den 1990ern das Dach der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle zierte.
Ziel des Projektes, so Weingartz, war die Rettung der Wiesenfläche
vor der Zerstörung durch ein Wohnungsbauvorhaben in der Eifel. Nachdem
die Wiese zwei Jahre lang auf dem Museumsdach zu sehen war, wurde als Folgeprojekt
„Future Garden, Teil 2: Eine Mutterwiese für die öffentlichen
Grünflächen von Bonn“ an der Auffahrt zur Südbrücke
in der Rheinaue auf der Beueler Seite angelegt. Hierfür wurde das
Heu mit Pflanzensamen vermischt und in der Rheinaue ausgesät.
Weitere Skulpturen im Stadtbezirk, die vermutlich jeder Beueler kennt,
sind die Stolpersteine - Mahnmale, die an das Schicksal jener Menschen
erinnern sollen, die von den Nationalsozialisten deportiert und in Konzentrations-
und Vernichtungslagern ermordet wurden. „Wir laufen Tag für Tag an
diesen und anderen Kunstwerken vorbei, aber nehmen sie oftmals nicht wahr“,
findet Weingartz, der eine Auswahl besonderer Skulpturen aus Bonn in seinem
zweiten Bildband präsentiert. „Es geht um öffentliche Kunst und
ein Gefühl für die eigene Umwelt“, sagt der Autor. „Es ist interessant,
wenn die Leute sich fragen: 'Was gibt es für einen Zusammenhang zwischen
dem Kunstwerk und dem Ort, an dem es steht'?'" Um diesen Fragen auf den
Grund zu gehen, verbrachte der 73-Jährige viel Zeit in Bibliotheken,
Archiven und dem Kunsthistorischen Institut der Bonner Universität.
Im Laufe der Zeit seien in Bonn viele Skulpturen hinzugekommen. Weingartz
spricht von einer Zahl zwischen 400 und 500 Kunstwerken im öffentlichen
Raum von Bonn. Einige von von ihnen seien mit der Zeit verschwunden,
meint Weingartz. Einerseits durch Diebstahl, etwa wenn es sich bei den
Skulpturen um wertvolles Material wie Bronze handelt. Ein weiterer Grund
seien Sicherheitsgründe, erklärt der Kunstforscher. Wenn beispielsweise
die Gefahr bestünde, dass die Skulpturen umkippen, müsste die
Stadt für die Schäden haften. Sie leiste in diesem Fall lieber
Prävention durch die Entfernung solcher Kunstwerke.
Abir Kassis
Das meinen Leser zu dem Bildband:
Müsste eigentlich jeder Bonner haben. Sehr
schön. Leider ist „unser
Puch“ vom Finkenberg nicht drin.
Hans Paul Müller
Mir fiel die interessante Seite 122 in die Augen,
ich vermute, Herr A. hat nicht geantwortet (Korrekt! H.W.), oder
liegt ein drucktechnischer Fehler vor? (Nein! H.W.) Auf alle Fälle
pfiffig!
Günter Detro
+++ Briefe eines Reisenden
an seinen Freund über den Aufenthalt beim Godesberger Gesundheitsbrunnen
+++
„Liebliche Lustbarkeiten“ im Redoutenhaus
(...) Der Lokalhistoriker Norbert Flörken hat das anonym hinterlassene
Manuskript eines vielfach gebildeten Godesberg-Reisenden vom Ende des 18.
Jahrhunderts im Stadtarchiv ausgegraben und nun komplett im Beueler Kid
Verlag herausgegeben. „Verfasser und Adressat sind unbekannt“, sagt Flörken.
Aber mit dem Autorenkollegen Georg Schwedt hält er es für möglich,
dass der damalige Gast im „Redoutenhaus“ mit dem Würzburger Chemieprofessor
Johann Georg Pickel (1751-1838) identisch war. Von dem stammt eine frühe
„Chemische Untersuchung des Godesberger Mineralwassers“ – die unser Briefschreiber
praktischerweise gleich in sein Reisejournal mit einbaute. Es ist die Zeit,
als Kurfürst Max-Franz die Draitschquelle hatte fassen und damit einen
Badebetrieb hatte etablieren lassen. Wer im Rheinland etwas auf sich hielt,
kurte 1792 in Godesberg. (...)
Wie versprochen haarklein schilderte er auch die „vollständige
Collection von schönen Gesichtern“ an der Draitschquelle, die er noch
in keinem „Naturalien-Kabinett der vornehmsten Höfe“ Deutschlands
meinte, gesehen zu haben. Mit weit aufgesperrten Augen habe er sich dort
nur mühsam von „ein paar großen blauen“ Augen losreißen
können. Auch die „verdammten Bänke“ hinter der Kuranlage am so
romantischen Bachlauf im Marienforster Tal seien wohl mit Pech überzogen
gewesen, dass er kaum von ihnen hochgekommen sei, scherzte der Godesberg-Gast.
Denn er wollte doch zum „Brigittenkloster“ gelangen, wo Mönche und
Nonnen „beisammen logieren“. „Ey, dachte ich mir, so muss doch, Gottlob,
der Zölibat-Prozess auch einmal ausgehen“, kommentierte er frech.
An dem schrieben sich doch auch schon die Theologen seiner Zeit „die Federn
stumpf“. (...)
(...) „Maria und Eusébio“ ist der Titel des zweiten Romans von
Michael Longerich. […] Die Begeisterung des Geschichtslehrers für
Pascal Merciers Roman „Nachtzug nach Lissabon“, sein Interesse für
die neuere portugiesische Geschichte, etwas Phantasie und eine große
Fabulierlust. Zusammen sind das die entscheidenden Zutaten für ein
Buch. Aber etwas fehlte. Eine Frau. „Sie tauchte plötzlich in meinem
Kopf auf. Ich nannte sie Maria“, erinnert sich Michael Longerich. Mit dem
Kugelschreiber des Schriftstellers als treibende Kraft werden Maria und
Eusébio auf wundersame Weise einander angenähert, obwohl sie
sich tatsächlich nur ein einziges Mal begegnen. (…)
Uwe Iwersen, JydskeVestkysten
(27. Januar 2022 / orig. in Dänisch - eigene Übersetzung)
Ein Roman zu Eusébios 80.
Geburtstag
(...) Wie die junge Frau mit den Schicksalsschlägen fertig wird,
die sie im salazaristischen Portugal der 60er Jahre erleidet und welche
Rolle Eusébio dabei spielt, ist auch für Nicht-Fußballfans
spannend und zugleich anrührend zu lesen.
(...) Als großer Fußballfan und Anhänger des Bundesliga-Klubs
Freiburg hat sich Michael Longerich mit dem portugiesischen Profi Eusébio
da Silva Ferreira einen berühmten Sportstar in einer Hauptrolle in
sein zweites Buch geholt. (…) In diesem Jahr wäre der portugiesische
Fußballprofi und Nationalspieler Eusébio da Silva Ferreira
80 Jahre alt geworden. Der Sportler mosambikanischer Herkunft ist eine
der Hauptfiguren im zweiten Roman des Tonderner Studienrats Michael Longerich,
der selbst großer Fußballfan ist. (…) In seinem fiktionalen
Roman erzählt Longerich, wie der spätere Weltstar 1960 im Flugzeug
auf dem Weg zu seinem neuen Arbeitgeber ist. Im Flieger nach Lissabon sitzt
er neben Maria, die als Kindermädchen in der Familie da Maia arbeiten
soll. (...)
In diesem Jahr wäre Portugals Fußball-Idol Eusébio
80 Jahre alt geworden, für den in Bonn ansässigen Kid Verlag
willkommener Anlass den Roman Maria und Eusébio von Michael
Longerich herauszubringen. (…)
Beeindruckend zu lesen, wie die alternde Maria mit den Schicksalsschlägen
des Lebens fertig wird und wie das ferne Idol Eusébio ihr immer
wieder Kraft dazu verleiht. Die fiktive Geschichte wird uns als Ich-Bericht
der Protagonistin ohne große literarische Ambitionen und ohne großes
Pathos doch sehr eindringlich nahegebracht. Dem Autor geht es als promoviertem
Politikwissenschaftler und Germanist um das Leben „einfacher“ Menschen
und wie sie mit ihrem schweren Los zurechtkommen. Der bosnischen Familie,
die in den 90er Jahren nach Dänemark kommt, Protagonisten seines ersten
Romans Immer wieder (2018), gelingt dies
im Gegensatz zu Maria nicht.
(...) Das Schicksal des Kindermächens (Maria) spiegelt viele
Erfahrungen wider, die Immigranten aus den Kolonien und Portugiesen jener
Zeit durchlebten. Eusebio gibt ihr immer wieder die Kraft, ihr schweres
Los zu bewältigen. (...)
Tatsächlich handelt es sich weder um eine Liebesgeschichte zwischen
Maria und Eusebio, noch ist es ein ausschließliches Porträt
des Fußballstars, obwohl seine Geschichte vollständig erzählt
wird. Es geht vielmehr um Marias berührende Geschichte, die gleichzeitig
die vieler "einfacher" Menschen ist.
(...) Dass da eine Malerin auf lyrischen Pfaden
wandelt, kann und will der Gedichtband nicht verhehlen. Kaum verwunderlich,
verdichten sich die Belege im Kapitel ,,Du bist durch meine Bilder spaziert“.
Von der Einladung an die Muse und ,,Arp’schen Bilderrätseln“ ist die
Rede, von Dada-Grüßen, in denen die Bäume Erdbeerduft atmen
und Fische Stöckelschuhe tragen. Dem Spruch, alles sei bereits gemalt
worden, hält Hillmann entgegen, ,,die Menschen, die ich male, leben
hier und jetzt“. Lebenslust und Lebenserfahrung steckt in den Gedichten,
die oft charmant und verträumt, aber nie betulich daherkommen. Natureindrücke
sind eingefangen, Befindlichkeiten und Momentaufnahmen nachvollziehbar
erfasst. ,,Du bist niemals zu alt, um Träume zu haben“ schreibt Hillmann
als Auftakt. Dafür stehen auch ihre Gedichte.
„Lass uns die Zeit bepflanzen“ – ganz schön
poetisch ist diese Aufforderung. Da passt es ja, dass Gudrun Hillmann den
Satz zum Titel ihres neuesten Buches gemacht hat. Für den Gedichtband
hat die Remagenerin anlässlich ihres 75. Geburtstages aus ihrem persönlichen
„Gedichtbrunnen“ geschöpft: Das Büchlein umfasst nicht weniger
als ihre gesammelte Lyrik der vergangenen zwei Jahrzehnte. (...)
Dass sich Gudrun Hillmann auf der Klaviatur der
Dichtkunst auskennt, offenbart sich schnell. Natur und Vergänglichkeit,
der Lauf der Jahreszeiten und natürlich die Liebe sind die Themen,
die schon vor ihr die Dichter in Worte und Verse kleideten. Ganz so, wie
sie es nun tut. (...)
Einen besseren Reisebegleiter für eine Tour
durch Beuel hätten sich Johannes Lesch und Martin Welzel gar nicht
wünschen können. „Und vor allem keinen liebenswerteren“, schmunzelt
Lesch und betrachtet den frechen Kerl mit dem spitzbübischen Grinsen.
Gemeinsamen haben der Landschaftsplaner Lesch und der Zeichner und Grafiker
Welzel gerade das Beuel-Wimmelbuch herausgebracht. „Es hat mich einfach
geärgert, dass es im Bonn-Wimmelbuch keinen einzigen Hinweis auf Beuel
gibt“, erklärt Lesch. Mit Hilfe des Bröckemännchens können
jetzt schon Dreijährige auf Entdeckungstour durch den Stadtteil gehen.
(...)
So werden die kleinen Leserinnen und Leser über die Friedrich-Breuer-Straße
schlendern, den Rathaussturm miterleben, Pützchens Markt besuchen,
das Heimatmuseum und das Rheinufer entdecken sowie das Kletterschiff in
der Rheinaue. Nicht fehlen durfte natürlich der große Martinszug.
Doch eigentlich wollte Lesch noch ein weiteres Thema im Beuel-Wimmelbuch
aufnehmen. „Für mich gehört das alljährliche Hochwasser
selbstverständlich zu Beuel. Aber nach den Ereignissen im Sommer und
der schrecklichen Flutkatastrophe haben wir dieses Thema natürlich
herausgenommen“, erzählt er. (...)
(...) Von A wie Abschiebung bis Z wie Zukunft
erklärt sie (d. Autorin) uns mit 160 Begriffen lexikonhaft
ihre Sicht auf die Welt, beschreibt etwa Querdenker als »eine Bewegung
selbsternannter Verteidiger des Rechts auf (Schwarm-)Dummheit und
Wissenschafts- bzw. Vernunftferne«, deren Vertreter sich gern zu
Demos zusammenrotten, »während derer sie beklagen, nicht demonstrieren
zu dürfen«. Eine Obergrenze hingegen genießt laut Gitta
List »Kultstatus bei z.B. Alarmisten, Steuerungsfetischisten, Finanzexperten
und Virologen, Leuten also, die nichts zu tun haben außer andere
Menschen zu warnen, zu beunruhigen und sich wichtig zu machen«.
Die Beispiele zeigen, dass List sich in ihren Erklärstücken
nicht in eine Schublade stecken lassen oder ideologisch festlegen will.
Somit sind ihre Einträge immer wieder überraschend, bekommen
gern nach wenigen Zeilen einen neuen Dreh – der mal sachlicher, mal ausgesprochen
zynisch daherkommt. Letzteres etwa, wenn sie schreibt, dass die Chemie
eine »sehr, sehr böse Naturwissenschaft« sei, die sich
»z.B. mit der Umwandlung von Chlor in Hähnchen« befasse.
Gras wiederum ist eine »Vegetation, deren Wachsen über eine
Angelegenheit immer dann erwünscht ist, wenn diese Sache aus irgendeinem
Grunde irgendwie stinkt, unkoscher oder unliebsam ist.« Und der Hass
hat im »Internet Kultstatus« (offenbar eines der Lieblingswörter
von List). (...)
Ist eine Tätowierung Ausdruck von individueller
Freiheit oder, im Gegenteil, ein Zeichen, dass sich jemand dem aktuellen
Modetrend unterwirft? Beweist ein Mensch, der seinen Körper an keiner
Stelle durchstechen oder dauerhaft bemalen lässt, eher Mut? Diesen
und anderen Fragen ist Dominik Böckling aus Ebernhahn unter anderem
mit der Schauspielerin Eleonore Weisgerber in seinem Text-Bildband „Ungestochen
schön“ nachgegangen.
Großformatige Hochglanzfotografien zeigen
Schauspielerinnen wie Morgane Ferru, Künstlerinnen wie Marlen Seubert
aus Bad Marienberg, Influencer wie Jin, aber auch die Naturfriseurin Birgit
Kaczrnarek aus Winningen und ganz normale Menschen aus verschiedenen Ländern
finden Raum. „Ich wollte neben der kulturellen Vielfalt auch alle Altersklassen
zeigen ", berichtet der Autor. Was sie verbindet: Keiner von ihnen hat
ein Tattoo oder ein Piercing, noch nicht einmal ein Ohrloch, keiner ist
schönheitsoperiert oder gebotoxt.
(…) Bei seinen Recherchen stieß Böcklíng.
auf einige Ambivalenzen. So gebe es Religionsgemeinschaften, die auf alles,
was unter die Haut geht, verzichten. „Andererseits lassen sich koptische
Christen aus Gottgläubigkeit ein Kreuz auf die Hand tätowieren“,
schildert er. Eine Kontroverse sieht er auch bei Menschen, die einerseits
vegan leben und sich andererseits tätowieren lassen, also auf diesem
Weg unkalkulierbare Giftstoffe in den Körper einführen. (...)
Richtig stolz blickt Regina Ring, als sie am Mehlemer Rheinufer erstmals
den frisch gedruckten Bildband „Ungestochen schön“ in Händen
hält. In dem A4-Band des Beueler Kid Verlags kommt sie selbst sieben
Seiten lang in Text und Bild vor. Der promovierte Geograph Dominik Böckling
hat sich im Buch auf die Suche nach einer Spezies Mensch gemacht, die seit
einiger Zeit nicht unbedingt im Trend liegt: Die 25 in Bild und Text Portraitierten
haben sich ihre Haut bewusst noch nie mit Piercings, Tätowierungen,
Ohrlöchern oder Schönheitsoperationen verändern lassen.
Ring ist eine dieser ungestochen Schönen, ohne Verzierungen und Eingriffe
in die Haut.(...)
„Mich tätowieren zu lassen, das wäre mir nie eingefallen“,
betont Ring und blättert durch den Band, in dem sie mutig auch ihre
Lachfalten zeigt. Ein zartes Tages-Make-Up, das nur Augen und Lippen betone,
habe ihr immer gereicht, berichtet Ring. Auch künstliche Nägel
würde sie sich nie aufkleben lassen, hat sie dem Autor im Buch geantwortet.
Sie könne nicht verstehen, dass viele Mitmenschen einerseits froh
seien, wenn sie sich nicht krankheitsbedingten Operationen unterziehen
müssten, aber sich andererseits der Schönheit oder Alterslosigkeit
wegen unters Messer legten. (...)
(…) Menschen helfen dem, was sie für sich selbst unter Schönheit
verstehen, mit Styling nach: Frisur, Schminke, Kleidungsstil, Schmuck,
all das sind ›ganz normale‹ Mittel, sein eigenes Erscheinungsbild so zu
gestalten, dass man damit zufrieden ist, sich vorzeigbar fühlt. Ebenfalls
nicht wenige Menschen gehen für ihr Schönheitsideal noch weiter:
mit Eingriffen in den Körper. Schönheits-OPs mögen bei uns
(noch) eher eine Ausnahme denn die Regel sein, aber sich Piercing(s) und
Ta-too(s) stechen zu lassen, ist mittlerweile nichts Spektakuläres
mehr, sondern populär. Es gibt indes auch nicht wenige Menschen, denen
die Vorstellung, sich auch nur ein Ohrloch (geschweige denn Tattoo) stechen
zu lassen, alles andere als geheuer ist. Zu ihnen gehören die 25 im
Band Ungestochen schön von Dominik Böckling porträtierten
Männer und Frauen – wobei (wie der Autor schon in seiner Einleitung
anmerkt) diese »klar in der Mehrzahl sind«. (...)
Der Band ist so interessant, weil darin – auch wenn Titel und Interviews
ein Konzept markieren – kein moralisierender Subtext transportiert ist.
Ungestochen
schön ist weniger ein Statement gegen, sondern vielmehr für
eine bewusste Einstellung zur Haut, in der man ein Leben lang steckt.
Kein Piercing, kein Tatoo, keine Schönheits-OP: In dem Bildband
„Ungestochen
schön“ schildern Menschen, warum sie auf alles verzichten, das den
Körper versehrt. Mit dabei ist auch die Schauspielerin Eleonore Weisgerber
(...)
Was tut ein nimmermüder Theatermann wie Walter
Ullrich, wenn ihn eine Krise zum Pausieren zwingt? Er tippt ein Buch über
sein Leben und seine Karriere in die Tasten seiner mechanischen Schreibmaschine.
So geschehen im zurückliegenden Corona-Lockdown. Das Produkt dieser
Zeit hat die Mühe gelohnt: Aus den Tasten des 90-jährigen Prinzipals
ist ein auch schön gestalteter Text- und Bildband im DIN-A4-Format
hervorgegangen. Wer sich an die über 550 immer wieder spannenden Produktionen
erinnern möchte, die Ullrich den Theaterfans der Region über
viele Jahrzehnte anzubieten pflegte, der findet hier auch an Anekdoten
überaus reiches Material. Und zwar gleichermaßen aus dem von
Ullrich 1958 gegründeten Kleinen Theater in Bad Godesberg wie von
der von ihm parallel seit 1979 geleiteten Landesbühne Rheinland-Pfalz.
(...)
Am Anfang war ein Engel. 1935, gerade vier Jahre
alt, spielte Walter Ullrich seine erste Rolle im Rahmen einer Weihnachtsmärchenproduktion
an den Städtischen Bühnen Mönchengladbach-Rheydt. Erinnern
kann sich der Theaterpatriarch, der sowohl in Bad Godesberg als auch in
Neuwied jahrzehntelang die Kultur geprägt hat, allerdings mehr an
sein Debüt, im Gegensatz zu all den anderen Stücken aus den 85
Jahren seines Bühnenlebens. Ein Foto ist jedoch als Beleg für
Ullrichs frühes Wirken verblieben - und dieses findet sich zusammen
mit vielen anderen in dessen kürzlich erschienenen Memoiren mit dem
knappen Titel „Das war's“. Auf gut 100 Seiten
im etwas sperrigen A4-Format zieht Ullrich Bilanz, mit Liebe zum Detail,
vielen Anekdoten und der ein oder anderen Abrechnung. (...)
Diese Gedichte handeln von Fahrgefühl, Fahrterlebnis,
Verarbeitung von Eindrücken während der Fahrt, während zahlreicher
Autofahrten, sind Ausdruck von Innenwelt, auch einem (damals noch möglichen,
heute vielleicht etwas naiv wirkenden) Vergnügen am Autofahren. Zugleich
beschreiben sie den Zustand des Unterwegsseins, ein Stück Lebensweg,
eine innere Entwicklung, ein Weggehen von Bekanntem, ein Zugehen auf ein
ungewisses Ziel. Ein Wandern zwischen zwei Ländern, zwei Sprachen;
zwei Lebenswelten kommen zur Sprache. So wird Autofahren zum Sinnbild des
Lebens, des Wandelns auf einer Fahrbahn, die uns einem unbekannten Ziel
rasend schnell ständig näher bringt: nahe Ferne, ferne Nähe.
Eine Fontane-Gesamtausgabe hat Vera beim Stöbern in einem Bonner
Antiquariat entdeckt. Neun Bände, „ein halbes Regalfach“, das will
sie ihrem Mann zum 60. Geburtstag gönnen, auch wenn dank Gregors Bibliophilie
kaum noch Platz in der Wohnung ist. Nicht nur davon fühlt sich Vera
erdrückt. In ihrer Ehe herrscht emotionale Sprachlosigkeit. Welches
Geheimnis dahinter steckt, enthüllt Maria Uleer in ihrem neuen Roman
„Heute und nicht gestern“ in einem großen Spannungsbogen. Nach und
nach wird man in das Leben eines Ehepaars hineingezogen, das sich seit
dem Tod des Sohnes entfremdet hat. (...)
Es sind solche Erlebnisse und unerwarteten Begegnungen, die der Heldin
Mut machen zur Veränderung. Als sie in der Straßenbahn nach
Siegburg auf einen jungen Deutschitaliener trifft, kommt der Stein ins
Rollen. Mit Dante reist sie nach Südengland, lernt Lissy und Alice
kennen, beide jenseits der 70. Die tafeln zwar von Wedgwood-Porzellan,
wollen aber keineswegs in nobler Zurückhaltung altern. Ihre unkonventionelle
Art mischt die etwas steife Vera auf. Sogar einen Seitensprung riskiert
sie, aber hier blendet Maria Uleer ähnlich wie Fontane diskret aus.
(...)
Nach den Turbulenzen des Herrn Rogalla,
(...), legt die Autorin nun mit Nr. 3, (...), ihre literarische Reifeprüfung
ab. (...)
Die anfänglich alltags-banale, zu Ritualen erstarrte Lebensweise
der Protagonistin und ihre Versuche, geheimnisvollen Signalen auf die Spur
zu kommen, dazu die Kühnheit, einen skandalösen Ausbruch zu wagen,
muss nicht in Gänze erfunden sein. Dieser „Verdacht“, der wie ein
Elefant im Raume steht, gibt der Lektüre das gewisse Etwas.
Eckpunkte: Bundesstadt Bonn, Akademikermilieu, Hauptperson Vera, Ehefrau
eines Uni-Dozenten, selbst mit Studium; seit über 30 Jahren verheiratet,
Zusammenleben zur Routine erstarrt, kein Glück mit den Kindern:
(...)
Handlungsschlüssel und Impulsgeber des Geschehens ist ein Antiquariatsgeschäft
im Stadtzentrum. Hier kommt Vera die Idee, für ihren Mann Gregor zum
60. Geburtstag, seinem Hobby entsprechend, eine neunbändige Theodor-Fontane-Werkausgabe
zu kaufen. Das Vorhaben scheitert daran, dass sich im ersten Band eine
Filzstift-Eintragung mit dem Zitat eines düsteren Abschiedsgedichts
Fontanes befindet, was dem als pedantisch und rigide beschriebenen Ehemann
missfallen würde. Das Fontanegedicht ist Auslöser und Kompass
für eine völlig irrationale Besessenheit Veras, den Adressaten
des „Fontane-Abschieds“ zu finden. Der weitere Verlauf versetzt Vera in
völlig neue Welten, bringt Kontakte zu bunt schillernden Personen,
und als Höhepunkt eine Art Pilgerreise nach Glyndebourne / England,
wo eine weltweit bekannte Barockopernaufführung mit Freiluftpicknick
stattfindet. (..)
(...) Das Vorwort zum neuen Buch, ... ,
verstört. Da entpuppt sich Bonns ehemals leitender Archivar, der immer
an die Mitverantwortung des Stadtgesesellschaft für den Holocaust
appellierte, als familiär indirekt darin verstrickt. Derzeit toben
identitätspolitische Diskussionen etwa darüber, ob auch eine
nicht schwarze Person den Gedichtband „The
Hill We Climb" von Amanda Gorman , ... , übersetzen könne. Und
die Frage „Gehört Anne Frank uns allen?“
erschüttert die im Gedenken an den Holocaust Engagierten. „Die
gerade im Zusammenhang mit einer Identitätspolitik zunehmende 'cancel
culture' halte ich unter anderem für die Geschichtsschreibung - denn
um die geht es in meinem Buch - für fatal“,
sagt van Rey. (...)
Sein neuestes Buch zeigt also die Monstrosität
des Holocausts wie immer ungeschminkt. Aber van Rey, der Historiker, überschreitet
dabei nicht die gebotene Schwelle: sich mit den Opfern zu identifizieren.
(…) Die Verbrechen – und ihre Spuren. Gerade im Kapitel zur »Arisierung
von Geschäften und Häusern in Bonn« lässt sich nachlesen,
wo überall und von wem die Nazis unter dem Vorwand ihres Rassenwahns
geraubt und geplündert haben – ohne dass aus der „gutbürgerlichen
Stadtgesellschaft“ Protest oder gar Widerstand gekommen wäre. Im Gegenteil
machten nicht wenige bereitwillig mit, rissen sich günstige Gelegenheiten
unter den Nagel. Und dann die Entsetzlichkeiten im Kloster zur Ewigen Anbetung
in Endenich, wo Hunderte Menschen, entrechtet, geschunden, zwecks späterer
Deportation in Vernichtungslager eingepfercht wurden.
Nein, Bonn war keine Insel des Anstands in dieser Zeit, „damals“. Der
Anstand gebietet es aber, dass man davon heute nicht schweigt, sondern
das Denken daran und das Nachdenken darüber, so unbequem es sein mag,
wachhält. Dem Autor also einen Dank für diesen wichtigen Beitrag
dazu.
Tim Weingartz ist angefixt vom Radreisen, das
merkt man jedem seiner Reiseberichte an. Mit 42 Jahren hat der Lehrer der
Bornheímer Europaschule bereits eine beachtliche Anzahl an Radurlauben
zurückgelegt. In seinem „Radreisemosaik Europa“ erzählt Weingartz
von seinen Touren, die ihn von Albanien bis Norwegen, von Kreta bis Siebenbürgen
geführt haben. Zahlreiche Fotos, selbst gemalte Illustrationen, Auszüge
aus seinen Reisetagebüchern versetzen Leserinnen und Leser schnell
ins Reisefieber. (...)
Besonders beeindruckend: Das Kapitel über
Kreativität unterwegs.Der Autor hat nicht nur die Kamera dabei, sondern
auch Malblock, Stift und Farbkasten. Man spürt förmlich das Ausmaß
der Entschleunigung, das man erreichen muss, um sich nach oder während
der Tagesstrecke hinzusetzen und seine Eindrücke in Illustrationen,
Skizzen oder Aquarellen wiederzugeben. (...)
Bernhard Meier, Rückenwind - ADFC Bonn (3 / 2021)
20.000 Kilometer auf dem Fahrrad
(...) Vor mehr hat 20 Jahren hat der heute 42-Jährige
in Brenig wohnende Weingartz seine erste Fahrradreise unternommen. Gut
20.000 Kilometer ist er seitdem auf zwei Rädern gefahren. „Es ist
die Vielfalt der Sinneseindrücke“, sagt Weingartz. Geräusche,
Gerüche, die sich ändernde Natur: All das nehme man viel bewusster
wahr. „Im Auto bekommt man viel weniger von seiner Umwelt mit“, so Weingartz.
(...)
Sein Buch richte sich zum einen an Menschen, die
selbst gerne zu Radreisen aufbrechen, so Weingartz. Sie dürften sich
in seinen Erlebnisberichten wiedererkennen. „Es ist aber auch für
Leute, die das noch nicht gemacht haben“, fügt er hinzu. Und es müsse
ja nicht direkt eine Tour durch die französischen Alpen oder Siebenbürgen
sein. Weingartz: „Die Eifel ist auch toll.“
(...) Weingartz charakterisiert bereiste Länder
unter Radreise-Aspekten und schildert dort gefahrene Touren, um die Reiselust
im Leser zu wecken.
MyBike (5 / 2021)
20 000 Kilometer durch Europa
(...) Weingartz nimmt die Leser mit auf Tour.
Er berichtet vom Facettenreichtum Deutschlands und der Länder und
ihren abwechslungsreichen Landschaften. Er radelt mit seinen Lesern auf
gutausgebauten Fahrradwegen vorbei an Flüssen und durch wunderbare
Städte. (...)
(...) In den vergangenen Monaten hatte Karin Büchel
viel Zeit, sich Gedanken über einen neuen Kriminalroman zu machen.
Herausgekommen ist dabei „Der tote Kaiser“.
Ein neues Ermittlerteam, die erfahrenen Kommissare Martin Jäger und
Claas Werner, die schon länger beruflich erfolgreich sind, hat es
wieder einmal mit einem schrecklichen Verbrechen zu tun. Eine männliche
Leiche wird unter der Konrad-Adenauer-Brücke gefunden. (...) Karin
Büchel hat in ihrem neuen Buch Regionales und Aktuelles verbunden.
Auf ein bisschen Lokalkolorit konnte sie nicht verzichten. (...)
Es gibt viele dickleibige Abhandlungen über
den Wein, seine Geschichte, seinen Anbau weltweit, wie und zu welcher Gelegenheit
er am besten mundet. Das alles gibt es in Hülle und Fülle.
Mit dem vorliegenden reich bebilderten Büchlein
Blick
ins Weinglas, herausgegeben von Ernst Dautel,
Helmut Kratochvil, Anneliese Penn und Dieter Rasch, wollen „Zwölf
Weinapostel“ inmitten der Corona-Pandemie mit feucht-fröhlicher Satire
etwas Längst-Überfällig-Positives allen Freunden des Weines
kredenzen. Ach, was schreib ich von einem Büchlein, nein, es ist eher
ein Katechismus, Gebetbuch, ein breitgefächertes Glaubensbekenntnis
zum Kult des Weines. (...)
(...) Nun hat Hanne Bocké über 200 dieser literarischen
Miniaturen, deren Stil zwischen tagebuchartigem Eintrag à la Max
Frisch, erweitertem Aphorismus, Kurzdrama und -geschichte changiert,
zu einem Erzählband zusammengestellt. „Himmelreichforschung“ bietet
Gelegenheit, eine scharfsinnige Beobachterin der comédie humaine
kennenzulernen, die den Mut hat, ohne Schere im Kopf über die Zumutungen
des Lebens zu schreiben und darüber, in welche traurig-komischen Situationen
es uns immer wieder bringt. (...)
Es liegt eine urwüchsige, raue, zärtliche Kraft in der Art,
wie Hanne Bocké sich weigert, sich und die anderen, die sie grimmig
liebt, mit unangenehmen Wahrheiten zu verschonen. Nein, das Leben ist für
sie nicht ganz so wie in der Rama-Werbung verlaufen. Nix da mit Traummann
und Kleidergröße 36. Von Kindern ganz zu schweigen. Natürlich
weiß eine Hochreflektierte wie sie, dass der schöne Reklame-Schein
nicht das Eigentliche ist, wonach sie sucht. Aber sie erlaubt sich, einer
Sehnsucht danach Ausdruck zu verleihen, die auf sehr eigenwillige Weise
das Irdische mit dem Himmlischen verknüpft. (...)
Ein Mädchen, zwei Kronen und
streitende Eltern ...
Schon das Titelbild ist eine Einladung zum Suchen. Aus vielen kleinen
schwarzen unregelmäßigen Vierecken auf einer dazwischen weiß
vorscheinenden Fläche ergibt sich ein fast schwindelig machendes Muster.
Und davor reitet ein Kind auf einem sanftmütigen rosa Drachen – eine
Krone auf dem Kopf und eine zweite in der ausgestreckten Hand in die Höhe
reckend. Und irgendwo versteckt sich fast der Titel „Die doppelt gekrönte
Prinzessin“ (...)
Anfangs gibt es zwei Länder, eines von einer Königin, das
andere von einem König regiert. Strikt getrennt mit scharfer Grenzbewachung
– unter anderem Krokodilen im Wassergraben. Die beiden Monarch:innen verlieben
sich ineinander, werden Eltern einer Tochter. Grenzbefestigungen werden
abgebaut. Friede, Freude alles eitel Wonne. Natürlich nicht, die Dramaturgie
verlangt eine Wende. Die Eltern streiten – wie das nicht nur in Königshäusern
vorkommt. (...)
Das hielt die Tochter nicht aus. Beide Eltern gaben ihr ihre Kronen.
Doppelt gekrönt, haute sie mit dem rosa Drachen ab und … Wie’s doch
zu einem Happy End kommt, sei nun hier doch nicht verraten.
Es ist ein außergewöhnliches, modernes Märchen, das
zwar zunächst ganz klassisch von einem Königspaar und einer Prinzessin
handelt, sich dann aber der Lebenswirklichkeit vieler Familien unserer
Gegenwart annähert und schließlich in ein Ende mündet,
das zwar happy ist, aber doch ganz anders als im gängigen Märchen:
(...)
„Ich habe beobachtet, dass viele Kinder gerade wenn ihre Eltern sich
trennen, zu viel Verantwortung tragen müssen“, sagt die Autorin, „da
kam mir die Idee mit der doppelt gekrönten Prinzessin“. Kinder würden
vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung der Eltern in eine Art Erwachsenenrolle
gedrängt, erzählt Sommerfeldt, die durchaus eigene Erfahrungen
mit Trennung und Kindern in ihre Geschichte einarbeitet. Und sie zieht
die Kreise weiter: Auch bei „Fridays for Future“ müssen sich „die
Kinder um die Rettung ihres Planeten selber kümmern und die Erwachsenen
lachen sie im schlimmsten Fall dafür aus“.
Letztlich sei ihre Prinzessin eine „Anti-Pippi-Langstrumpf“, ein Kind,
das Eltern braucht, seine Kinderrolle spielen darf. Burger interpretiert
die Geschichte mit ihren Illustrationen sehr eigenständig: Die farbenfrohen,
fantasievollen Zeichnungen und Collagen setzen den Text nicht bloß
um, sie steuern eine zweite Ebene bei, die durchaus bedrohliche Momente
hat, dank der vielen Details aber sehr ausführlich das Leben der kleinen
Prinzessin, die Konflikte und lustigen Episoden ihres Alltags schildert.
(...)
Thomas Kliemann, General-Anzeiger (13. April 2021)
Vielschichtige Collagen
(...) Beide Autorinnen haben einen Bezug zum Theater und "inszenieren"
das Bilderbuch kunstvoll, teils beklemmend und im eigenwilligen Querformat
mit hochformatiger Bindung. Das erfordert etwas Geschick beim Umblättern.
Vielschichtige Collagen, grafische Muster und stilistische Zeitbrüche
zwischen Märchen und Moderne unterstreichen die Zerrissenheit der
Königsfamilie und ihrer Länder. (...)
VirologInnen empfehlen, ein Kontakt-Tagebuch zu führen. Katharina
Körting hat diese Empfehlung ernst genommen. Und sie kreativ erweitert.
Vom 1. Oktober bis zum 30. November 2020 führte sie ein Tagebuch,
das – nicht weiter verwunderlich, galt doch ab Anfang November wieder ein
Lockdown – vor allem 78 Mitteilungen und Fundstücke von Nicht-Kontakten
handelt. Und von solchen, die unter der Corona-Glocke auf neue, nicht selbstverständliche
Weise stattfinden. Die Entfaltung einer Art „Gegenwartsbewältigung“
(S. 10) könne von LeserInnen erwartet werden – nicht mehr, aber auch
nicht weniger, so die Berliner Schriftstellerin.
„Eine Lesung. In einem Kinosaal sitzen statt Menschen Puppen und Stofftiere
auf den Klappstühlen.“ Mit diesem Eintrag vom 1. Oktober beginnt das
Tagebuch. „Kontakte: Kantine, Adventssingen mit Maske im Hof an der Arbeitsstelle,
Kollegin für Fünf-Minuten-Besprechung, Töchter, Söhne.“
So endet das Tagebuch am 30. November. Dazwischen alles – alle Facetten
des Lebens mit der Pandemie, die eine berufstätige Frau mittleren
Alters mit (fast) erwachsenen Kindern in einer europäischen Metropole
bewegen. Beschreibungen, Erzählungen, Reflektionen, Gefühlsausbrüche,
Gelesenes, Gesprächs- und Mailprotokolle, Gedankensplitter … vor allem
aber Selbstbefragungen. Und diese werden detaillierter, intensiver und
tiefer von Tag zu Tag. (...)
Kirsten Alers, Segeberger Briefe 1/2021 (Februar)
»Kontakte:
Töchter, Söhne, Paketbote«
(...) Wer weiß, wie viele ›Coronakriegstagebücher man irgendwann
in Nachlässen finden wird. Katharina Körting (Berlin) allerdings
ist Schriftstellerin, ihr Kontakttagebuch ist literarisch durchformt,
ist geschrieben, um gelesen, rezipiert zu werden, ein Echo zu finden –
mit den vielen Fragen, die darin notiert sind zu dieser Zeit hektischer
Außenschau (neueste Inzidenzen! neueste Nachrichten) und erzwungener
Innenschau zugleich.
Es wird sich manche/r wiederfinden in diesen Aufzeichnungen, die mit
grimmigem Humor auch die Phrasen benennen, die ››diese besondere Zeit«
so hervorbringt, die die emotionale und soziale Erosion, die an den Individuen
so zehrt wie an der Gemeinschaft, mit feiner Präzision unter die Lupe
nehmen. (...)
»Wie uns zu Mute ist, kann
sich keiner vorstellen«
(...) Rohdes sorgfältig recherchiertes Buch
leistet in diesem Sinne einen wichtigen Beitrag, die Autorin hat in Archiven
(u.a. des NS-Dokumentationszentrums Bonn und des Stadtarchivs Bonn) zahlreiche
Dokumente, Fotografien sowie Korrespondenzen der Familien zusammengetragen.
So berührend wie beeindruckend etwa die Zitate aus Briefen der jungen
Ruth, die, zu Zwangsarbeit in einer Wandplattenfabrik ›abkommandiert‹,
die Hoffnungen auf eine gute Zukunft und »ein neues Leben in Palästina«
bis zuletzt nicht aufgeben wollte: »... meine schönsten Jugendjahre
gehen hin, aber ich hoffe, es wird mir einmal doch noch zu Gute kommen.
Die Juden sind seit Jahrtausenden gewohnt ein schweres Schicksal zu tragen
und zu meistern, und man wird unser Geschlecht auch nicht feige sehen.«
Es können einem die Tränen kommen, wenn
man das alles liest, man möchte in den Boden sinken vor Trauer, Entsetzen,
Zorn - und Scham, dass dies alles geschehen konnte und geschehen ist. Doch
in den Boden sinken nützt nichts - die Erinnerung wach halten nützt.
Und wachsam und widerständig sein gegenüber den Neurechten, ob
sie nun in Springerstiefeln oder in Nadelstreifen daherkommen.
Das Buch sollte Pflichtlektüre in allen Schulen
sein.
So war das Leben der Beueler Juden
im Nationalsozialismus
Susanne Rohde hat ein „Lesebuch zur dunklen Geschichte“
Beuels geschrieben. Eines der erzählten Holocaust-Schicksale ist das
des kleinen Micha Sternschein.
(...) Rohde widmet sich darin dem Schicksal
aller Beueler Familien jüdischer Herkunft, die mit der Machtergreifung
der Nazis der Verfolgung und Vernichtung ausgesetzt waren. Die Mitbürger,
über die sie als Beuelerin hier berichte, habe sie, Jahrgang 1948,
nie treffen können. Sie seien während der Naziherrschaft erst
aus den Straßen und dann aber auch aus dem Bewusstsein der Nachbarn
verschwunden, erklärt Rohde, die als Grundschullehrerin arbeitete.
(...)
Mit ihrem Buch will Rohde denjenigen, die fehlen,
ein Denkmal setzen und dem heutigen Wiedererstarken von Rassismus und Ausgrenzung
von Minderheiten entgegentreten. So wie das für viele Holocaust-Opfer
an ihren ehemaligen Wohnhäusern im Trottoir die Stolpersteine des
Gedenkprojekts von Gunter Demnig tun. Rohde bildet sie in ihrem Buch ab
und erzählt die Vorgeschichte: die Zerstörung jüdischer
Geschäfte und Wohnungen ab 1936 sowie die Brandstiftung der Synagoge
am hellichten Tag 1938. Die mussten hier gar nicht einmal herangeschaffte
SA-Männer erledigen: In Beuel zündeten unter dem Beigeordneten
Otto Klamp gleich Ortsansässige selbst das Gotteshaus an. Rohde schildert
schließlich die Gefangennahmen und Verschleppungen. Die gesamte jüdische
Gemeinde auch rechts des Rheins sollte ausgelöscht werden. (...)
Genau dieser einstige Beueler Junge (Micha Sternschein)
mit dem großen Teddy hat übrigens noch auf seine Weise Geschichte
geschrieben. Rohde deutet es in ihrem Buch an. Der Mann, der sich als Erwachsener
Michael Maor nannte, baute den Staat Israel mit auf – und half dem Geheimdienst
Mossad, den Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann der Mitschuld am Tod von Millionen
Juden zu überführen: Er schmuggelte wichtige Akten aus dem Büro
des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer heraus, der hier mit dem
Mossad kooperierte. (...)
(...) Auch im kleinen Beuel bildete sich der große Holocaust ab,
vom Beginn der Verfolgung bis zur ausgeklügelten Vernichtungsmaschinerie.
kultur - Magazin der Theatergemeinde Bonn | Mai/Juni 2022
Die Geschichte vom Armenarzt Max
Weis
Das Buch „Sie waren in Beuel zu Hause“, das jetzt in erweiterter Neuauflage
im Buchhandel erhältlich ist, beleuchtet den Alltag der jüdischen
Bevölkerung Beuels in der Zeit des Nationalsozialismus. Es zeigt Lebenswege
auf, die zu Leidenswegen wurden. Fotos und Briefe sprechen von Wünschen
und Hoffnungen, zeigen das Geschehen um die Kristallnacht und Deportation
auf.
Susanne Rohde berichtet neben anderen Lebensbildern nun auch ausführlich
über das Leben von Dr. Max Weis, nach dem der Platz an der Beueler
Versöhnungskirche benannt ist. „Doktor Weis, der mehrere Jahre auch
dem Beueler Gemeinderat angehört hatte, genoss hohes Ansehen. Er war
den Menschen zugewandt und galt zudem als Arzt der Armen, der auf ein Honorar
bei mittellosen Patienten verzichtete“, erzählt die seit 60 Jahren
in Beuel lebende frühere Lehrerin, die sich seit drei Jahrzehnten
in der Beueler Initiative gegen Fremdenhass engagiert. „Im Juni 1939 erlebte
er an Bord des Fluchtschiffes St. Louis deren aufsehenerregende Irrfahrt
mit und gelangte schließlich nach England“, weiß die Autorin
des 180 Seiten umfassenden Werkes zu berichten. 1952 starb er vereinsamt
in Wales. (..)
In „Der weiße Fleck“ bringt die Ehefrau
ihrem „Bärchen“ das Frühstück ans Bett, legt sich noch ein
wenig neben ihn, erinnert an die gemeinsame Zeit, auch an Streit, den es
durchaus gab, und an die schwierige Phase, als er arbeitslos war. Aber:
„Es war letztlich unsere Liebe,die uns getragen hat“, sagt sie, und der
Leser ahnt inzwischen schon, dass irgendwas nicht stimmt. Bis die Tochter
der Frau klingelt, um die Mutter abzuholen. Zum Besuch auf dem Friedhof.
„Schließlich ist heute Papas Geburtstag.“
Diese Geschichte über eine wohl nicht immer
einfache, aber offenbar innige Partnerschaft ist eine von 34 Kurzgeschichten
und Erzählungen, die der in Bad Honnef lebende Autor Heinz Strehl
in seinem Band „BREAK“ veröffentlicht hat. (...)
Seit einigen Jahren lebt Heinz Strehl in der Stadt
Bad Honnef und schreibt Kurzgeschichten, Gedichte und Geschichten für
Kinder sowie Sketche für die Seniorentheatergruppe „Die Bühnengeister“
in Sankt Augustin.
Schon wieder ein neues Buch im Corona-Jahr 2020
von Dr. Winfried Rathke? Nicht ganz, denn für das gerade erschienene
Buch „Satire im Corona-Herbst“ ist er „nur“ Mitherausgeber – gemeinsam
mit Professor Dieter Rasch vom „Verein Deutsche Sprache”. Und beide sind
auch Autoren – zusammen mit 20 anderen, die der zweiten Welle und der zunehmend
trüben Stimmung noch etwas zum Schmunzeln entgegensetzen.
„Du machst dir oft etliche Sorgen / Gedanken zu
Heute und Morgen. / Elf Menschen sind krank, / du nicht – Gott sei Dank.
/ Dann kannst du die andern versorgen.“ So lautet ein Limerick mit dem
Titel „Evi“ von Asja Gerling, einer Pastorin aus Rostock, die gerne Lyrik
schreibt und liest. Helmut Kratochvil, ein emeritierter Professor, Techniker,
Maler und Schriftsteller aus Baden bei Wien, hat Zeichnungen und Verse
zu verschiedenen Genres der Satire beigetragen. Im Kapitel „Schüttelreime“
schreibt er unter dem Titel „Vollschlank“: „Diäten machen falthüllig
/ Drum bleib ich halt füllig / Gewissermaßen füllhaltig
/ statt unansehnlich hüllfaltig.“
Das Buch ist ein buntes Gemisch von Limericks,
Sonetten, Haikus, und anderen Gedichtformen – teilweise in Plattdeutsch
und Dialekten. (...)
chk, Rheingau Echo (23.12.2020
Mit Lyrik und Satire gegen das Virus
Ist es möglich, sich über das tödliche
Corona-Virus lustig zu machen? Darf man über den winzigen, aber wirkmächtigen
Erreger Spottverse, Limericks und Schüttelreime dichten? Auf jeden
Fall, denn Lachen hilft bekanntlich gegen viele Dinge, die einem das Leben
vermiesen können. (...)
Den Autoren gelingt es auf ganz unterschiedliche
Art und Weise, gegen den schwermütigen und pessimistischen Zeitgeist,
der momentan viele Leute in Mecklenburg-Vorpommern, in ganz Deutschland
und überall in der Welt ergriffen hat, mit ihren Zeilen anzugehen.
Robert Schmidt dichtet in einem Limerick:
Fehlender Impfstoff – das steht fest gibt sehr vielen Menschen den Rest. Gar nicht so sind wir! Kämpfen wie ein Stier mit Limericks gegen die Pest. (...)
Prominentenmischung frisch vom Faß
Neue Sonette von Alexander Mühlen
Gewaltig ist das Heer der Prominenten,
die er durch den Kakao getreidelt hat.
Im Zick-Zack jagt sein Witz, zwei kraus, drei
glatt.
Er rettete vor Zeitungen die Enten.
Sein Streu-Obst quillt im Füllhorn ständig
über.
Vergnügt macht selbst sein Sittich hohe
Wellen,
und Tiffi hört man keck dazwischen bellen.
Gekonnt verteilt er Nasen kleine Stüber.
Die Kurschatten hat Alex toll veredelt.
Umhüllt hat ihn der Graf von Monte Christo.
Die Prostata erklärte er Mephisto.
Sein Pudel hat stets mit dem Kern gewedelt.
Ich lachte manche Träne in die Hose.
Er machte meine Herbstzeit herrlich lose
(...) Cornelia Frettlöh erzählt, ausgehend
von den beiden ungleichen Schwestern, geschickt und mit viel Liebe zu ihren
Figuren eine Familiengeschichte über mehrere Generationen mit den
unweigerlich dazugehörenden Geheimnissen, Tragödien, Missverständnissen
und Lebenslügen. Es gelingt ihr hervorragend, zurückliegende
Zeiten in wenigen Worten und Bildern plastisch vor den Augen der Leser*innen
erscheinen zu lassen. Viele dysfunktionale Beziehungen werden schmerzhaft
erzählt, dennoch bleibt für keine Figur das Mitgefühl auf
der Strecke, denn jeder kämpft mit seinen eigenen Dämonen, um
das kleine bisschen Glück im Leben zu gewinnen. (...)
(...) Cornelia Frettlöhs Roman Schwesternblues
ist, wie schon der Titel verrät, keine leichte Kost und keine leichtgängige
Lektüre - Blues ist nun mal kein Swing. Was Frettlöhs Roman aber
trotz aller (gelegentlich nicht unstrengend geballten) Vergangenheits-
und Trauerarbeit der Erzählerin Miriam zeigt, ist: den Blues zu schieben,
kann auch vom Blues kurieren. Oder zumindest helfen, ihn zu ertragen, Wehmut,
Zorn, Traurigkeit zu akzeptieren und vielleicht zu entdecken, dass es trotzdem
möglich sein kann, zu lieben - sich, einander, das Leben. (...)
(...) Die Schwere der Themen lässt sich nicht
kleinreden. Die Autorin zeigt aber, es ist der klare Blick der Dinge, der
neue Sichtweisen eröffnet und weiterträgt: Nicht wegschauen,
sondern hingucken, zulassen und aushalten und finden, was möglich
ist.
(...) Cornelia Frettlöh schrieb einen Roman mit viel Personal,
der auch die Familiengeschichte der vorhergehenden Generationen erzählt.
In einer farbenreichen Sprache schildert sie Begebenheiten, die vom Zeitgeschehen
geprägt sind. Auf einer Venedig-Reise wippen die Gondeln im schmatzenden
Wasser der Lagune „wie aufgezäumte Seepferdchen“ und aus den Fenstern
der Stadt strömt Nudelwassergeruch. Es sei eine autofiktionale Geschichte,
sagte die Autorin. Ihr sei es ein Anliegen, den Lesern Mut zu machen, sich
mit der eigenen Lebensgeschichte auseinanderzusetzen. Auch ihre Heldin
wagt diesen Schritt. Mit überraschendem Ende.
„Ich stehe vor einer grünen Wand, die inzwischen
meinen Kopf überragt …“, beginnt die titelgebende Geschichte, in der
ein verzweifelter Anlieger eines jährlich wuchernden Maisfeldes eine
denkwürdige Begegnung in eben selbigem hat. Dieser Text enthält
bereits die meisten Lieblingszutaten von Günter Detros Kurzgeschichten.
Ein argloser Beginn, ein dramaturgisch und sprachlich sorgfältiger
Aufbau und eine überraschende Schlusswendung mit teils schwarzhumorigem
Ausgang. (...)
Auch aus der Erinnerung an seinen Schulalltag
schöpft Detro, der gerne schon in der Frühe schreibt und dies
mit bewundernswerter Disziplin. Während „Elternschrecktag“, eine der
amüsantesten Geschichten der Sammlung, auf der Hauptlinie des Buches
liegt, hat er in „Das Versprechen“ die unangenehme Erinnerung an einen
ob seiner Kriegserlebnisse offenbar traumatisierten Lehrers verarbeitet.
An diesem Text, habe er „im Grunde 30 Jahre gearbeitet“, meint Detro.
(...)
Auf einmal ist sie da: die ewige Dunkelheit. Tage vorher hatte sie sich
angekündigt. Dass der Mais auf dem an sein Grundstück grenzenden
Feld derart in die Höhe wächst, dass in einigen Räumen des
Hauses mitten im Sommer kaum noch Tageslicht ankommt, inspiriert Günter
Detro dazu, eine Kurzgeschichte zu schreiben. Der Poetry-Slammer und Autor
aus Oberdrees zeigt mit „Der Mann im Mais“, dass er diese Kunst beherrscht.
(...)
Humor und Satire in allen Farben spiegelt sich auch in „Der Mann im
Mais“ wieder. Die Verunsicherung mancher Eltern bei der Erziehung ihrer
Kinder unterwirft er in „Misstrauen“ einer kurzweiligen, ironischen Betrachtung.
Eigene Erfahrungen aus Lehrersicht fließen in „Elternschrecktag“
ein. „Es ist satirisch übertrieben, aber mit einem wahren Kern.“ Gemeinsam
haben seine Geschichten stets: Ohne unerwartete Wende und ein überraschendes
Ende wäre die Prosa keine Kurzgeschichte aus Detros Feder. (...)
Der Titel auch seines zweiten Bildbands sagt viel
über diesen Künstler aus. „Aus Freude am Malen“ hat Norbert Bogusch
es überschrieben. Mit feinem Pinselstrich und bunt ineinander fließenden
Farben, „wie locker hingeworfen, wie hingetupft und stets verfremdet“,
gehe der Maler ans Werk, schreibt im Vorwort Dieter Dresen. (...) Man spüre
den warmen, fröhlichen Blick, mit dem der Wachtberger die Welt betrachte.
Gerade in seinen Aquarellen ist diese Handschrift erkennbar. Bogusch hat
die Finca unter Mallorcas blauem Himmel ebenso gekonnt hingetupft wie das
Muffendorfer Kirchlein Alt Sankt Martin unter dunklen Regenwolken und die
im Wind plötzlich türkis leuchtende Godesburg. (...)
Im Buch sind sowohl Impressionen von Formel-1-Rennen
als auch der Blick aus dem Biergarten auf den Kölner Dom zu sehen.
Stimmungsvolle Stillleben mit Flaschen wechseln sich mit Aussichten auf
einsame Dörfer ab. Und Bogusch hat auch eine intensivfarbige Version
von Jan Vermeers berühmten „Mädchen mit dem Perlohrring“ gewagt.
Anfangs habe er ausschließlich in Aquarell gemalt. Heute arbeite
er auch mit Acryl, Öl, Rostpatina sowie Mixed-Media, sagt er. Dabei
kämen auch Materialien wie Marmormehl, Asche oder Wachs zum Einsatz.
„Die Aquarellmalerei bleibt jedoch mein künstlerischer Schwerpunkt.“
(...)
Richard Pestemer, langjähriger Ortsbürgermeister
von Neunkirchen (...), ist im Hochwald und darüber hinaus bekannt
als streitbarer Politiker und Aktivist für Umwelt- und Klimaschutz.
Doch derzeit zeigt der 74-jährige Japanologe und Politologe eine ganz
andere Seite von sich: Er schreibt Haikus, eine traditionelle japanische
Gedichtform. Und er veröffentlicht sie auch.(...)
Das asiatische Land beschäftigt ihn schon
seit seiner Jugend. Und beinahe ebenso alt ist seine Begeisterung für
die japanische Sprache und die typisch japanische Gedichtform, die durch
drei Eigenschaften besticht: Kürze, Prägnanz und Naturbezogenheit.
Wer jetzt glaubt, dass Pestemer es beim reinen Kopieren der Versform aus
Nippon belässt, liegt falsch. Auch wenn typisch japanische Motive
wie die Kirschblüten nicht fehlen, beschreibt der Autor auch deutsche,
ja auch Hunsrücker Verhältnisse. Ein auf Neunkirchen gemünztes
Gedicht lautet folgendermaßen: „Unter dem Nebel/Eingehüllt das
kleine Dorf –/Zwängt sich schmal ein Bach.“ Andere Verse aus der Pestemer-Schmiede
befassen sich mit der Natur, dem Alltag, dem Kosmos und den manchmal doch
so unscheinbaren Begegnungen des Daseins – mit Kartoffeln und Wein, aber
auch mit Handys und einem Schrottauto. Und natürlich schimmert noch
immer sein politisches Engagement durch: Da ist von Gier ebenso die Rede
wie von der Hanfblütenernte. (...)
Sein politisches Interesse und seine Haltung kann
oder will Richard Pestemer nicht verleugnen. Deshalb findet man in dem
Gedichtband auch spöttische Verse wie: „Mein Frisör erzählt:/
Mit Kirschspray hat Trump/ blondiert die Mähne“. Und mit einer Anspielung
auf das häufig zerzauste Haupthaar des amerikanischen Präsidenten:
„Vom Winde verweht/Die Impotenz der Allmacht/Durchschaut vom Frisör“.
(...)
(...) Für den über zwölf Seiten
fassenden Artikel (Flöße, Kähne, Schwimmanstalten -
Der Mondorfer-Bergheimer Hafen in früheren Zeiten) in den "BeuelerMiniaturen"
hat die Mondorfer Gast-Autorin (Claudia Knöfel), ..., etwa
ein halbes Jahr umfangreiche Recherchen angestellt. So war ihr der Mondorfer
Roland Klinger mit seinem umfangreichen heimatgeschichtlichem Archiv eine
hilfreiche Stütze. Es folgten unter anderem Kontaktaufnahmen
zu den Stadtarchiven Andernach, Siegen und Niederkassel
sowie zum Siebengebirgsmuseum in Königswinter. Ein
Ergebnis dieser Nachforschungen war, dass auch auf der Sieg
Flöße in Richtung Mündung fuhren. Claudia Knöfel gliederte
den Artikel in folgende Absätze: Holz für Holland - Die Entstehung
der Flößerei, Die Flößer - harte Arbeit und viel
Brot, Schutz vor Eisgang: Badeanstalten in der Mondorfer Bucht, Vom "Suure
Hunk" zum "Flüzebier" sowie Neue Zeiten. (...)
(...) Hans Paul Müller, genannt HP, ist ein
Beueler Urgestein. Im Herzen vom alten Beuel geboren und immer dort geblieben.
„Hier fühle ich mich wohl, hier habe ich alles, was ich brauche“,
sagt der 78-Jährige. Ein Auto braucht er nicht, und wenn es mal weiter
weggehen soll, dann holt er sein Rennrad. Derzeit sollte er eigentlich
auf eine andere Tour gehen, auf eine Promotiontour, denn soeben ist bereits
sein siebtes Buch veröffentlicht worden. „Beueler Miniaturen“ ist
der Titel der Anthologie mit Beiträgen von zahlreichen Freunden und
Bekannten, die im hiesigen Kid Verlag erschienen ist. „Eine Liebeserklärung
an das Rheinland im Allgemeinen und Beuel am Rhein im Besonderen“, heißt
es im Untertitel. „Dabei habe ich mich an das Beueler Stadtwappen gehalten,
das ein Fährboot auf dem Rhein zeigt. So haben alle Beiträge
einen direkten Bezug zum Rhein und dem Geschehen am und auf dem Strom zwischen
Drachenfels und Sieg“, schreibt Müller in seinem Vorwort. (...)
(...) Die Anthologie, die nun im Ergebnis des
mittlerweile 9. Godesberger Literaturwettbewerbs erschienen ist, zeigt
das mit neun Erzählungen, die sämtlich von einer literarischen
Qualität sind, die es (Pardon, falls dies wen kränkt) so in dieser
Reihe noch nicht gegeben hat. Sie kommen aus Hamburg, aus Trier, Berlin
und sogar Wien – und sie sind hinsichtlich Sujet und Stil, Ton und Thema
so überaus unterschiedlich, dass man sich getrost viel Zeit nehmen
darf/sollte, diesem Band von ›nur‹ 142 Seiten reichlich Resonanz zu geben.
Das lohnt sehr, jede der darin vertretenen Stimmen verdient es nämlich
unbedingt.
Da ist Renate Aichinger mit »#seelen: entsorgen«,
einer sprachkühnen ›Nachricht‹ an »du. also. du hier. Allein.
«, die eine Nachricht an Sie sein kann oder mich, weil alles, was
darin steht, Sie oder mich angeht – nicht, dass es mir oder Ihnen lieb
wäre, ist aber so. Da ist Daniela Chmelik, die (»Laila «)
von einer kosmischen Begegnung erzählt, die eigentlich keine ganz
reale Begegnung ist – und kosmisch nur, weil ein Kind sie denkt. Und eben
deswegen doch eine. Da sind subtile Horrorstories (Klaus Gottheiner, Marc
Lunghuß, Helmut Michael Schmid) und da ist – neben all den weiteren,
ausnahmslos exzellenten Beiträgen – die titelgebende Geschichte »Am
frühen Morgen«. Sie handelt von einem außerordentlichen
Erwachen, das ›Outing‹ zu nennen eine Frechheit wäre: Giorgio Mazzin
gegenüber, seiner Schneiderkunst und seiner alten Borletti-Maschine
gegenüber, seiner Frau gegenüber, die so mutig ist wie ihr Mann.
Und einer Erzählung nicht gerecht würde, die qua Stoff und Stil
so puristisch wie poetisch ist; nicht sehr lang, aber groß. Wow.
Dafür und für diesen ganzen Reigen höchst lesenswerter Literatur.
Assoziationen, Amateurfußball
und Aznavour: Gereimtes von Robert Goepel
(...) So passt es ins Bild, dass der Kid Verlag
jetzt den großen Schritt macht, den optisch spektakulär ausgestalteten
30 x 20 cm Gedichtband des 74-jährigen Bonner Psychotherapeuten und
leidenschaftlichen Amateurfußballers Robert Goepel herauszugeben.
Das Buch enthält gut 100 vom Verfasser entweder mit „object art“ eigener
Produktion oder Klassikern der bildenden Kunst illustrierte Gedichte. Diese
Abbildungen mit ihren überaus leuchtenden Farben absorbieren zunächst
die Aufmerksamkeit und erinnern daran, dass der Autor bisher vorwiegend
bildnerisch gestaltend unterwegs war. Ein Bildband
hierzu ist im gleichen Verlag erschienen. Beim zweiten Hinsehen entdeckt
der Leser handwerklich fast makellose, überwiegend gereimte und leicht
zugängliche Verse. Diese sind allerdings, folgt man dem Verfasser,
thematisch geeignet, finstere Stimmung zu erzeugen, zu verstärken,
vielleicht auch - dadurch inspiriert - zu bekämpfen.
Hier, mein lieber Herr Autor, muss ich passen.
Diese Steilvorlage erreicht nicht mal meine Großmutter, die im Gegensatz
zur Ihrigen der Nachwelt kein Büchlein mit zitierbarer beschwingter
Poesie hinterlassen hat.
Sie mögen sich noch so sehr um Finsternis
bemühen – Tod und Leiden aller Art kommen quasi als Leitmotive daher
–, die grellen Farben und leichtfüßigen Trochäen werden
immer wieder zu fröhlichen Trophäen! Weder der aufgespießte
heilige Sebastian noch zweimal Sisyphos bei der Arbeit, weder ein Jackson
Pollock noch ein „Auschwitz aus Strandholz etc.“ können dem heiteren
Basso Continuo etwas anhaben …
Originell: Eine Zeitreise ins Jahr 1962 bringt
eine gendermäßig akzeptable deutsche Textreplik auf das Charles-Aznavour-Chanson
„Tu t’laisses aller“ (Du lässt dich geh‘n). Damals hieß es bei
Caterina Valente noch „Mein Ideal“. (...)
Dieses Buch ist eine Versuchsanordnung in poetischer
Sprache, „ein Experiment“, wie Autorin Eje Winter, bürgerlich Elke
Trefz-Winter, es selbst nennt. Ich-Erzählerin Katharina setzt in der
Neuerscheinung „Kaspers Roman oder Die schöne Biographie“ rein sprachlich
ein 28-jähriges Geschöpf namens Kasper in die Welt. (...) Ich-Erzählerin
Katharina hat die Spielanordnung für ihren selbst erzeugten Jungmann-Kasper
dagegen als komplexes Programm angelegt: Er darf keine Vergangenheit haben.
Und er soll, bitte schön, aus dem Stand „eine schöne Biografie“
zustande bringen. (...)
Nun also ein Buch mit einem selbst kreierten Kasper
in deutlich lyrisch gefärbter Sprache. Das Geschöpf hat die Aufgabe,
ohne Vorurteile aufs Leben zu schauen und aus einem Karton mit Postkarten
ein längst verstorbenes Paar wieder zu erwecken, ja dessen Lebensweg
unbedingt glücklich verlaufen zu lassen. Das Geschöpf erkundet
die Welt, öffnet dem Leser die Augen, angeblich alltäglich Langweiliges
völlig neu sinnlich zu erfahren. Nicht dem entgangenen Glück
nachjammern
Und es beginnt eine explosive Auseinandersetzung
der Erzählerin mit diesem Kasper, der irgendwann aufbegehrt und selbst
leben will, ohne eingezwängt zu sein. (...)
Raus in die Welt – Einschulung und
Grundschulzeit als Chance zur Persönlichkeitsentwicklung von Kindern
(...) Kein Grund zur Sorge also, wenn ein Kind
sich im Kontext Schule anders zeigt als zu Hause und gern seine eigenen
Erfahrungen machen möchte. Wichtig ist es vor allem, im Gespräch
zu bleiben, um mitzubekommen, wie es ihm damit geht. Dabei sei der Zugang
über das gemeinsame Lesen von Geschichten oft einfacher, gerade wenn
ein Kind von sich aus wenig erzählt.
Aus diesem Grund hat Katja Mierke, selbst zweifache
Mutter, ein Kinderbuch mit dem Titel „Lila und Manila“ verfasst. Das Buch
ist eine locker miteinander verwobene Sammlung von Geschichten für
Kinder im Alter von etwa fünf bis zwölf Jahren. Mal lustig, mal
tiefsinniger, geht es um Fragen wie: „Wer bin ich?“ und „Wie könnte
ich noch sein?“. Dabei wird klar, dass Wünsche manchmal ihre Tücken
haben, auch wilde Träume wahr werden dürfen und nicht jeder immer
nur so ist, wie es auf den ersten Blick aussieht. „Ich möchte Kinder
damit anregen, sich selbst zu akzeptieren, mutig neue Möglichkeiten
zu erkunden und sich wie andere aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten“
erklärt Mierke. Und – wie manchmal im Leben – gibt es auch im Buch
einen Hidden Track.
(...) So bewegen sich die fantasievollen Erzählungen
irgendwo zwischen „Pipp Langstrumpf“ und „Bullerbü" und entwickeln
doch ihren ganz eigenen Charme. Dass sie nun überhaupt gedruckt vorliegen,
ist dem Moment zu verdanken, in dem Mierke eine Ausstellung des Bonner
Künstlers Martin Welzel im Kult 41 besucht hatte. Die Farbig- und
Vieldeutigkeit seiner Bilder faszinierten sie. (...) Das Mutter-Töchter-Team
Mierke konnte seine Ideen und Vorstellungen dem Maler vermitteln, der dann
frei und in überschwänglicher Farbigkeit in die Welt von Lila
und Manila eintauchte, die es nun der betrachtenden jungen Leserschaft
leicht macht, die Geschichten nachzuempfinden und darüber hinaus auch
noch weiterzuspinnen. (...)
Stefan Hermes, General-Anzeiger (14.
Dezember 2019)
(...) Fast hätte er es noch geschafft, sein
neuestes literarisches Baby in den Händen zu halten. Am Ende reichten
die Kräfte bei Herbert Reichelt nicht mehr. Er starb im Juli. Vielleicht
also auch, weil der Wachtberger seiner schweren Krankheit diesen letzten
Sieg nicht gönnte, widmet er ihr in „Aus der Reimmühle“ keine
Zeile. Bestenfalls die Frage nach der Endlichkeit ließe sich ins
Gedicht „DADA-Wege“ hineininterpretieren. Denn da heißt es: „Wohin
werden wir werweht (sic!)? Wege wissen wundersam, wie wohin warum wer geht.
Wahnsinn! Wirklich Wiedewamm!“ (...)
„Als ein Meister des Wortes in der Tradition von
Ringelnatz, Hüsch und Gernhardt beherrscht er zahlreiche lyrische
Formen spielerisch“, meint sein Verleger. Freuen dürfen sich die Leser
auf Sonette, Limericks, vor allem aber scharfsinnige Ironie, die auch die
Sprachverhunzung nicht auslässt. Dem Anglizismus des Jahres 2018 (Gendersternchen)
ist „Ein Stern ging auf“ gewidmet. „Kaum hatten wir mal weggeguckt, da
gab's das Binnen-I nicht mehr, ward wohl vom Schwarzen Loch verschluckt.
Die Sprache schien so öd und leer“, dichtet Reichelt und rechnet mit
dem seiner Meinung nach inflationären Gebrauch von “*innen“ ab. (...)
+++ DerYoga-Hype.
Ein Wegweiser für Neugierige und Kritiker+++
Ist das noch Yoga?
(...) Der Trend Yoga ist ungebrochen, nimmt sogar
noch an Fahrt auf. Die Studios sprießen aus dem Boden, immer verrücktere
Stile werden ausgelobt. Wer nicht weiß, dass Asana Körperhaltung
heißt, wird als Banause abgetan. Die indische Bewegungskunst ist
im Alltag angekommen, die Menschen praktizieren mit Hingabe, erwarten sich
davon Sinngebendes, Erfüllendes - und zusätzlich einen trendigen
Superbody. Doch dadurch hat sich ein Leistungsdruck in die kontemplative
Angelegenheit eingeschlichen, der sie im Grunde gefährdet. Durch den
Boom ist außerdem ein ziemlich weites Geschäftsfeld entstanden,
in dem sich jede Menge Geld verdienen lässt. Aber ist das noch Yoga?
Was bedeutet dieses Wort eigentlich? (...)
Kosser nennt weitere Gründe, warum Yoga als
Allheilmittel angesehen wird: "Es handelt sich dabei eigentlich um eine
komplette Philosophie, basierend auf jahrtausendealten Schriften, teilweise
älter als die Bibel. Acht Wege zur Erleuchtung gibt es da, neben körperlicher
Ertüchtigung auch auch Ernährung, Atmung, Meditation oder innere
Freiheit. Also alles Dinge, die viele Menschen suchen." Aber weil wir uns
in einer leistungsorientierten Gesellschaft bewegen, spricht uns der Teil
der körperlichen Ertüchtigung eben besonders an (....) Der Leistungsdruck
erhöht außerdem die Gefahr von Verletzungen. Die nehmen durch
die Annahme, Yoga sei nicht anstrengend, deutlich zu. (...) Dabei geht
es beim Yoga genau ums Gegenteil: in den Körper heineinzufühlen,
seine Bedürfnisse, Grenzen wahrzunehmen. Weniger ist dabei mehr. Das
Ziel ist, eine Haltung möglichst achtsam auszuführen - nicht
unbedingt das Maximale herauszuholen! Das ist nicht nur aufbauend für
die Muskeln, sondern auch für den Geist, als gute Schule für
überbordenden Ehrgeiz. Dann sind wir mit Yoga auf dem richtigen Weg.
(...) Prickelnd lesen sich Gesterkamps Geschichten. Jede Menge Lokalkolorith
und Atmosphärisches aus der Kunstszene ist auch mit dabei. ... Und
manchmal glaubt der Leser, Figuren zu begegnen, die ihn doch verdammt an
selbstverliebte hiesige Akteure erinnern.
(...) Nicht so sehr der literarische Biss wirkt in Rückkehr
nach Schapdetten. Gesterkamps Erzählweise ist (auch sprachlich)
nicht auf Effekt und Effekte aus, nicht auf Volten und Raffinement - vielmehr
ist sie so lindenstraßenhaft bieder (ja fast reizlos) wie die Figuren,
die auftreten. Nur haben es, ... , diese meist mittelalten, meist auch
bloß mittelinteressanten Biedermänner und Durchschnittsfrauen
eben doch faustdick hinter den Ohren und also kein Problem damit, niederträchtig,
rachsüchtig und verlogen zu sein. (...) Auf den zweiten Blick ist
dieser Spießeralltag voller Tücke und Kabale, ein Pychosumpf
und nicht selten richtig gefährlich.
Der in Münster geborene Harald Gesterkamp (56) hat sein zweites
literarisches Werk vorgelegt. (...) Darin (in der Titelgeschichte) geht
es um einen Mann, der nach vielen Lebensjahren in sein westfälisches
Heimatdorf zurückkehrt und dort auf eine unheimlich Begegnung mit
einem knorrigen Landwirt zusteuert - dabei erfahren auch Nicht-Münsterländer
endlich, wer oder was Schapdetten ist.
- pd - Westfälische Nachrichten (November 2019)
Bizarre Charaktere, tödliche
Wendungen
(...) Es sind nur auf den ersten Blick alltägliche Dinge, die der
Schriftsteller und Deutschlandfunk-Redakteur Harald Gesterkamp in seinem
neuen Erzählband „Rückkehr nach Schapdetten“ beschreibt“. Denn
die 20 Geschichten – der Autor spricht von „Stories“ – beginnen zwar harmlos,
doch erfahren sie eine plötzliche Wendung und enden mitunter tödlich.
Auch die Figuren, Frauen wie Männer, erscheinen zunächst recht
bieder, bevor sie nahezu explodieren und überraschende und teilweise
extrem bösartige, niederträchtige und verlogene Dinge tun. So
schildert Gesterkamp in seinem überaus vielseitigen Buch unter anderem
betrogene Frauen und Männer, die jeweils auf ihre Art Rache üben,
so dass einem die Luft wegzubleiben droht. (...)
(...) Dieses Büchlein stellt die neuesten, im Umkreis des Dichterquartetts
Quadriga und der Schreibwerkstatt Schattenspringer, entstandenen 14-Zeiler
vor. Schon das Umschlagbild einer sich mit Klopapier schneuzenden Mona
Lisa, zwei Rollen davon im Arm haltend, macht klar: Was kommt, ist nicht
ganz ernst gemeint. Aber gerade diese leichtfüßigen, durch viel
Lebenserfahrung gefilterten Verszeilen zeigen überraschende Schnittflächen
mit unserer Alltagserfahrung - immerhin war der Autor fast vier Jahrzehnte
im Auswärtigen Dienst tätig, .... Deshalb sei stellvertretend
für die vielen immer wieder, von Vereinsfreunden (gemeint ist der
Verein deutscher Sprache VdS)) erdichteten Natur- und Weltbetrachtungen
auf dieses eine Beispiel hingewiesen. Hier wie in vielen anderen Publikationen,
... , zeigt sich zu meiner großen Freude, dass viele Vereinsmitglieder,
statt über den Verfall der deutschen Sprache zu klagen, noch lieber
mit ihr spielen und sie so flexibel und ausdrucksstark zu erhalten.
Es fängt harmlos an, „Abseits vom Alltag“, und legt Zeugnis ab
von vermeidbaren Siegen und der Gelassenheit des Scheiterns. Die Autorin
nimmt uns mit auf verschlungene Seitenpfade, lässt uns teilhaben am
Triumph über das Verfallsdatum von Joghurt, begleitet einen wider
besseres Wissen fröhlichen Lehrer sowie einen Heinz, dessen Glück
am Anfang steht, und stellt uns den Prototyp des Zehenlutschers vor. Dem
Alltag entspringen Geschichten wie diejenige vom Großflughafen, zu
dem „alles gesagt“ ist, von Sascha, der keine Heizung mehr braucht, und
dem Schnupfenbakterium Susi, welches seinem nächsten Auftritt entgegenfiebert.
Dank Fortüne im letzten Moment verfehlt ein furchterregender Himmelsbrocken
unseren Planeten – und wird sogar im Inhaltsverzeichnis gelöscht!
Um das Missgeschick vollständig zu machen, endet ein ums andere Szenario
als „große, glückliche Familie“. Brrrrrr.
Dies ist die Kurzfassung des Einführungskapitels eines kleinen,
aber durchaus beunruhigenden Werks der schriftstellerischen Debütantin
Steffi Endemann. Gemeinsam haben die rund 50 zum Teil nur zwei Seiten langen
Kurz-Geschichten folgendes Merkmal: Sie gehen von scheinbar banalen Situationen
aus und führen den Leser/die Leserin mehr oder weniger vorgewarnt
in einen Grenzbereich. Hier bleibt er/sie erschrocken stehen oder geht,
der Schwerkraft gehorchend, den einen Schritt zu weit (… )
(...) Mit ihrem neuen Buch Seitenpfade
beschreitet die 69-Jährige (Steffi Endemann), ... , in knapp 50 Kurzgeschichten
und Gedichten sicher keine ausgetrampelten literarischen Wege. Endemann
zeichnet auch Figuren der Historie in Grenzsituationen, in denen sie sich
beweisen müssen. So etwa setzt sie Freidis, die Tochter des Wikingers
Erik des Roten, in peitschender See in ein Ruderboot Richtung Amerika.
Die Autorin verdichtet die Szene dramatisch, bis sich wirklich federgeschmückte
Menschen über die im gestrandeten Boot fast verhungerten Wikinger
beugen. (...)
In einer anderen Kurzgeschichte lässt Endemann
die für die Republik so wichtige kleine Stadt am Rhein in einen Dornröschenschlaf
versinken, sodass auch das Stadthaus in scharlachroten Bougainvillea-Ranken
verschwindet: ein Lesevergnügen. Und wie entwirft die Autorin ihre
Kurzgeschichten und Gedichte? "Ich entwickle Situationen schnell und brauche
dann eigentlich nur noch mitschreiben", antwortet Endemann.
(...) Im Buch „Zwischen Hoch- und Niedrigwasser. Der Rhein aus Bonner
Sicht“ befasst sich Sarah Bertram nicht nur mit den Fragen, was der Rhein
bietet, oder wie er sich in den letzten Jahren entwickelt hat. „Auch das
Zusammenspiel von Gesellschaft und Natur fand ich schön“, so Sarah
Bertram. Doch genau dieses Verhältnis habe sich in den vergangenen
Jahren drastisch zum Negativen geändert. „Früher hatten die Menschen
noch mehr Respekt vor dem Rhein und vor Natur generell. Das hat sich durch
verschiedene Prozesse und die Industrialisierung so entwickelt.“ Deshalb
fordert sie, dass die Menschen nicht mehr gegen die Natur agieren sollen,
sondern mit ihr: „Momentan fragen wir uns, wie wir den Rhein eingrenzen
oder beherrschen können. Dabei merken wir gar nicht, dass der Fluss
ein eigenständiges Subjekt ist, das sich nicht beherrschen lässt.“
(...)
Victor Hugo und Sarah Bertram – zwei unterschiedliche Persönlichkeiten
aus verschiedenen Jahrhunderten und Kulturkreisen, die auf den ersten Blick
nun wirklich keinerlei Gemeinsamkeiten haben. Und dennoch verbindet die
Bonner Studentin (Jahrgang 1991) und den französischen Schriftsteller
(1802) eine große Leidenschaft: Ihre Faszination für den Rhein.
Hugo unternahm in seinem Leben zwei Rheinreisen und hielt seine Eindrücke
in seinem Prosatext „Le Rhin“ fest. Die 27-jährige Sarah Bertram veröffentlichte
im März mit ihrem ersten Buch ebenfalls eine „Liebeserklärung“
an den Strom, der seit Jahrtausenden das Leben in Bonn und der Region bestimmt.
„Zwischen Hoch- und Niedrigwasser“ lautet der Titel ihres Erstlingswerks.
Darin schlägt sie auf etwas mehr als 100 Seiten einen Bogen von der
Entstehung, über Hoch- und Niedrigwasserrisiken bis hin zur gesellschaftlichen
und kulturellen Bedeutung des Stroms für Umwelt und Gesellschaft.
Ergänzt werden die verschiedenen Kapitel durch Fotos sowie Zitate
einiger Persönlichkeiten. Neben Victor Hugo kommen Alan Watts sowie
Heinrich Böll zu Wort. „Bonn und der Rhein gehören wie ein Zahnrad
zusammen. Und das eine ohne das andere gibt es nicht“, sagt die 27-jährige
Geografin. „Der Rhein ist eine Lebensader, die unser tägliches Leben
beeinflusst.“ (...)
Nun liegt der "zweite Streich" Ellen Klandts vor mir auf dem Tisch.
Nach der Aufarbeitung einer Familienchronik zur Zeit und nach Ende des
2. Weltkrieges anhand von Originaldokumenten und -briefen ist jetzt die
68er Generation an der Reihe. Die Verfasserin, Jahrgang 1950, lässt
kaum einen Zweifel daran, dass auch hier wieder selbst Erlebtes und Erlittenes
die Hauptrolle spielen. Faktisch knüpft das Buch an den Vorgängerroman
an, überspringt aber die 50er Jahre, verschlüsselt die Personen
und verfeinert die Stilmittel. Vor allem tritt hier eine vermutlich fiktive
Hauptperson ins Zentrum: der am Leben verzweifelnde, selbstvergessen Klavier
spielende Quasi-Autist Friedrich, in dessen Person sich alle Strömungen
der Zeit treffen oder widerspiegeln. Er fungiert als Dauer-Objekt der Begierde
der Ich-Erzählerin, räumlich mal nah, mal getrennt, aber immer
unerreichbar. Sein Lebensweg steuert unaufhaltsam auf den finalen Suizid
zu. (...)
Mit viel Liebe zum Detail und Sympathie für die Akteure schildert
die Autorin eine Zeitspanne, die sich fundamental von allem Voraufgegangenem
und, wie wir heute wissen, auch von der nachfolgenden Digitalwelt unterscheidet.
Im Briefmarkensammler-Jargon: eine abgeschlossene Epoche! Mit all ihren
Verirrungen, Exzessen und Rechthabereien in gewissem Sinne eine Zeit der
Unschuld. Friedrich ist daran und an sich selbst zerbrochen, die Verfasserin
hat es überlebt, und ebenso wir, die Anderen.
(...) Worum geht es in „Bunker und Beethoven - Mein friedvolles Jahr“
genau? Ich habe als Wehrpflichtiger in einem NATO-Atomwaffenlager die surreale
Endphase des Kalten Krieges erlebt. Das war für mich als 19-Jährigen
eine einschneidende Erfahrung. Der Dezember 1988 war mein letzter Monat
im Dienst. Im April 1989 begann ich mein Studium in Bonn. Dort habe ich
dann die aufregende Wendezeit, diese unglaubliche Aufbruchstimmung der
Freiheit und Friedfertigkeit erlebt. Das Buch ist eine Collage aus diesen
beiden extrem unterschiedlichen Erfahrungen. Es endet am Tag der deutschen
Einheit, am 3. Oktober 1990.
Wie ist die Idee zu diesem Buch eigentlich entstanden? Sie kam mir spontan drei Tage nach den Terroranschlägen am 11.
September. 9/11 war ein Riesenschock. Ich hatte unwillkürlich die
Befürchtung, dass die friedlichsten Tage meines Lebens nun hinter
mir liegen. Ich habe damals einen Tagebucheintrag geschrieben. Ich wollte
meine Erlebnisse zuerst nur für mich persönlich festhalten. Aber
dann kam mir der Gedanke, daraus ein Buch zu machen. Für viele Jüngere
ist
der Kalte Krieg ja schon weit entfernt.
Wie kam es. dass es jetzt erschienen ist? Ich habe lange daran geschrieben. Im vergangenen Jahr habe ich mich
entschieden, es zu forcieren und zu schauen, ob es publiziert werden kann.
Vor 30 Jahren war alles streng geheim. Heute ist es längst Geschichte
und wurde sogar schon in ZDF-History thematisiert. Dennoch hat es plötzlich
eine erschreckende Aktualität erhalten, denn man liest jetzt wieder
von atomarer Nachrüstung, Das beschäftigt mich persönlich
sehr. (...)
die Fragen stellte Anne Fuhrmann, Kornwestheimer Zeitung (7.3.2019)
Als die Studenten vom Weltfrieden
träumten
Genau 30 Jahre sei es her, erinnert sich Stephan Geiger an das fröhliche
Kicken auf der Hofgartenwiese. „Wir“ (also die angehenden Philosophen,
Archäologen und Historiker) „spielten bei fast jedem Wetter. Auch
an trüben, nieseligen Aprilwochenenden.“ Bis sie sich „nass und drecktriefend“
wieder auf in ihre Studentenbuden in der Südstadt machten. „Wer
wollte, war dabei“ beim Fußballtraining, ob Portugiesen, Türken,
Marokkaner, Rheinländer oder Sachsen, auch einige Studentinnen, weiß
Geiger heute noch. Und während die jungen Leute im April 1989 unbekümmert
den Doppelpass übten, schien die Großdemonstration von 1981
am selben Ort gegen Atomwaffen auf deutschem Boden vergessen. Es sei von
1988 bis 1990 eine aufregende Wendezeit gewesen, die er in Bonn erleben
konnte, eine „unglaubliche Aufbruchstimmung der Freiheit und Friedfertigkeit“,
sagt Geiger heute. (...)
Auf dem Kaiserplatz erlebt er seine erste Demonstration mit, protestiert
mit weißem Trauerband gegen das Gemetzel des chinesischen Regimes
auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens. Geiger beschreibt, wie
er mitjubelt, als Russlands Hoffnungsträger Michail Gorbatschow auf
der Treppe zum Alten Rathaus ein Blumenkind küsst. Der Student steht
1989 auch im Regen vor dem Wasserwerk, um mit Jung und Alt das 40-Jährige
der Bundesrepublik Deutschland zu feiern. Und das tut er sicher enthusiastischer
als die meisten seiner Kommilitonen. Denn Geiger kontert seine beschaulichen
Bonn-Erinnerungen hart mit Szenen seiner kurz davor erlebten Bundeswehrzeit
in einem Nato-Atomwaffenlager. Da habe er die surreale Endphase des Kalten
Krieges noch hautnah gespürt, blickt er zurück. Und genau aus
dem Kontrast der beiden Welten speist sich nun die Spannung in Geigers
Buch. Kurz zuvor hatte sich der junge Mann im Bunker des Atomwaffenlagers
gefürchtet. Und dann konnte er im Oktober 1990 auf dem Bonner
Marktplatz zur Feier der Wiedervereinigung Ludwig van Beethovens „Freude
schöner Götterfunken“ mitsingen.
Ihm sei in diesen Bonner Jahren ein besonderes Glück zuteil geworden,
resümiert Stephan Geiger heute. Sein Buch wolle gerade in einer Zeit,
in der schon wieder die atomare Nachrüstung geplant werde, an die
Abgründe und auch an die Utopien zwischen 1988 und 1990 erinnern.
Damals, als er erst Soldat und dann Student im friedlichen Bonn war.
Wie hat ein junger Mann die Jahre 1988 bis 1990 erlebt?
(...) Die etwas mehr als zwei Jahre vedichtet Geiger auf präzise
geschriebenen Skizzen mit reichlich Emotionen. Ob es die exakte Gefühlslage
dieser Tage war oder ob sich diese Schicht später über das Erlebte
gelegt hat, spielt keine Rolle. Zu gut beherrscht der Autor die Technik
der Collage, die zu einem spannungsreichen und zugleich doch stimmigen
Ganzen führt. An diesem Bild hat Geiger gewiss mitgearbeitet, aber
wer wie er diese Wendejahre in der Zeit des Erwachsenwerdens miterlebt
hat, kann sich in dem präsentierten Tableau ebenfalls wiederfinden.
Stefan Geigers Buch ist voller Kontraste und kluger Gedanken.(...)
(...) Ebenso poetisch gestimmt wie weltfremd ist der Held, der im Mittelpunkt
der neuen Geschichten von Maria Uleer steht. Die Kluft zwischen Traum und
Wirklichkeit bringt ihn immer wieder in brisante wie brenzlige Situationen
... Aus den Höhen der Sprach- und Dichtkunst lässt die Autorin
ihren Helden immer wieder auf die Nase fallen - etwa wenn er seine Frau
mit einem Liebhaber ertappt, als Dozent in der Uni-Toilette die gekritzelten
Sprüche der Studenten korrigiert, sich beim Anblick blaugrün
lackierter Zehennägel im Krankenhaus vergebliche Hoffnungen macht
oder in der Yogastunde über die Übungen „Katze“ und „Kobra“ stolpert.
(...)
Rogalla, das klingt nach altem Hochadel und jungem Zechenlehrling, nach
dem Herrn Bregulla aus ich weiß nicht mehr welchem HÖR-ZU-Roman.
Rogalla ist der reine Tor, Parsifal und Hans im Glück, dem fast alles
missrät, ohne dass dies seinem Selbstwertgefühl und seinem „mal
wieder davon gekommen“-Dusel abträglich wäre. Immerhin tritt
der Protagonist in „Ich-Form“, also mit der Stimme der Verfasserin, auf:
Es handelt sich um ein Faktum, dessen Vorkommen die Literaturkritik
immer noch bezweifelt, nämlich dass eine starke Frau sich in einen
– schwachen – Mann hineinversetzen und darüber einen längeren,
überzeugenden Text schreiben könne. Zwei Dutzend Geschichten
über einen Waschlappen namens Rogalla – das muss Frau erst mal durchhalten
(...)
Schlussfazit: Es handelt sich sehr wohl um einen Roman mit Witz und
Charme, die Bezeichnung "Geschichten" ist tief gestapelt
Es sind der erste Satz und das Ende einer Geschichte, die Maria Uleer
besonders lange umtreiben. „Ansonsten gibt es wirklich nichts, was zu banal
ist, als dass mir dazu nichts einfiele“, meint die zierliche Frau lachend.
(...)
„Ich schreibe immer Geschichten, die mit dem Alltag zu tun haben“, auch
wenn die Handlung im Detail erfunden sei, sagt Uleer. Ihr aktuelles Buch
„Die Turbulenzen des Herrn Rogalla“ ist von ihren Erlebnissen und
und Alltagsbegegnungen inspiriert. ... Sei es die Schreibwerkstatt, die
sie selbst bis heute besucht, ihre Leidenschaft für Auktionen oder
aber die „Toilettenprosa“, die ihren Helden ins Abseits befördert.
Sein anfängliches Entsetzen über die Obszönitäten auf
der Studententoilette, die obendrein nur so strotzen von grammatikalischen
Vergehen und Rechtschreibefehlern lassen ihn aktiv werden (...)
(...) Die Geschichte spiegelt gut das Lokalkolorit der hiesigen Gegend
zu Beginn der 1960er Jahre wieder. Seine Inspiration war ein alter Zeitungsartikel,
in dem über den Mord aus verschmähter Liebe an einem jungen Mädchen
berichtet wurde, der vor langer Zeit in einem Dorf gar nicht weit von seinem
Wohnort geschah. (...)
(...) Herbert Pelzers Buch ist aber vor allem auch eine Geschichte voller
menschlicher Abgründe. Dem kleinen Hans Helferstein und seiner Familie
geht es gut, die Familie betreibt auf dem Land eine kleine Tankstelle,
hat es nach dem Krieg zu bescheidenem Wohlstand gebracht. Plötzlich
wird der Vater krank, er stirbt. Der kleine Junge will fliehen, er hält
es zu Hause nicht mehr aus. Sepp Preisler, der Glasbläser, ist dagegen
ein richtiger Macker, ein Frauenheld, und Renate Ramacher, das schönste
Mädchen im Dorf, ist seine Freundin. Sepp möchte seiner Renate
näherkommen, als er mit ihr schlafen will, weist sie ihn jedoch ab.
(...)
Rund ein Jahr hat Pelzer an seinem Roman gearbeitet - und am Ende hat
er es sogar geschafft ein Happy End zu finden. „Natürlich möchte
ich das nicht im Detail verraten“, sagt der Autor. „Aber eins kann ich
schon sagen: Hans und Sepp treffen sich als alte Männer wieder. Und
sie finden ihren Frieden.“
Dieses Heimatgefühl, dieses
sich fallen lassen in eine wunderbare Geschichte
(...) Da ist es wieder … dieses Heimatgefühl, dieses sich fallen
lassen in eine wunderbare Geschichte, die Eckdaten zur eigenen liefert.
Beim Lesen von „Knollenland“ geht es mir ähnlich wie beim Schauen
von „Der Junge muss an die frische Luft“. Ich kann den Mief der dörflichen
Enge riechen, den Bohnerwachs im Kindergarten oder in der Schule, aber
auch den Rodonkuchen in Omas Backofen. Kerkelings Film und Pelzers Buch
kommen wunderbar unaufgeregt daher. Und das, obwohl es bei Kerkeling einen
Suizid und bei Pelzer einen Mord gibt … und in beiden Geschichten muss
ein Junge ein Elternteil zu Grabe tragen.
„Knollenland“ erzählt die Geschichte der Familien Helfenstein und
Preissler, die in Niebich leben. Einem fiktiven Dorf im Nörvenicher
Umland. Die Menschen und ihr Handeln sind noch von den Entbehrungen und
Verletzungen des Krieges geprägt. Und dem ausgeprägten Wunsch
nach klaren Regeln, die auch schon mal die Luft zum Atmen nehmen können.
Das Leben des Knaben Hans und des Halbstarken Sepp gerät am gleichen
Tag aus den Fugen. (...)
(...) Der ehemalige Vorsitzende der Freunde der Kammerspiele lässt
die fünf Jahre der Amtszeit Nicola Bramkamps als Schauspieldirektorin
am Theater Bonn Revue passieren. (...)
Der Autor erzählt die Vorgeschichte der Ära Brakamp und dokumentiert
im Folgenden meinungsfreudig, was zwischen 2013 und 2018 auf den Bühnen
zu sehen war, wie die Kritiker darauf reagierten und wie viele Besucher
die Inszenierungen anlockten. So lassen sich die Höhen und Tiefen
der Arbeit Brakamps und ihrer Kollegen auf unterhaltsame und informative
Weise noch einmal nacherleben. (...)
Dietmar Kanthak, General-Anzeiger (25. Januar 2019)
(...) In Rheinbach und Umgebung hat die Veranstaltung „TextProbe“ einen
guten Namen.(...) Als im Februar 2015 der Oberdreeser Autor Günter
Detro bei der neunten „TextProbe“ seine Kurzgeschichte „Über das Bücherregal“
vortrug, lauschten die Zuhörer in der Bibliothek des Städtischen
Gymnasiums gebannt der Erzählung um René Seiler, der in einem
Buch, das er dem öffentlichen Bücherregal entnimmt, eine Karte
mit einer mysteriösen Einladung zum Tee entdeckt. Er verliebt sich
in die Frau auf dem Foto auf der Rückseite.
„Bei der Geschichte hatte ich den Offenen Bücherschrank in der
Raiffeisenpassage (in Rheinbach) vor Augen“, erklärt Detro, der sich
ehrenamtlich um die Pflege des Regals kümmert, (...) „Er war meine
Inspiration und für die beiden Protagonisten in meinem Buch ändert
er alles.“
(„TextProbe“-)Moderator Lothar Tolksdorf lobte den Text mit seinem überraschenden
Ende als typisches Beispiel für eine gelungene Kurzgeschichte. In
der anschließenden lebhaften Diskussion kam aus dem Publikum die
Anregung an den Autor, die Geschichte doch zu einem Roman auszubauen. Gesagt,
getan. „Schnell merkte ich, dass die Geschichte tatsächlich noch nicht
zu Ende erzählt war“, erläutert Detro. Insgesamt drei Jahre arbeitete
er an dem Manuskript und vergoss dabei manchen Tropfen Autorenschweiß.
(...)
(...) Deutlich gefärbt mit Lokalkolorit besticht dieses rund 170
Seiten starke Buch, ... , neben dem für Detro typischen Sprachspiel
und der feinen Beobachtungsgabe durch viel Tiefsinn. In den Mittelpunkt
hat der in Oberdrees lebende Autor das Problem mangelnder Kommunikation
in der Gesellschaft und deren Folgen für zwischenmenschliche Beziehungen
gerückt. Dabei verknüpft er den Generationenkonflikt literarisch
mit der Lebensgeschichte und den sich daraus ergebenden Entwicklungen im
Werdegang zweier unterschiedlicher Charaktere. (...)
Hendrikje Krancke,General-Anzeiger (24. Dezember 2018)
(...) Viele Jahre knackte der aus Freiburg gebürtige Studienrat
an seinem Buch, das die fiktive Geschichte eines jungen Paares erzählt,
als sich die Situation in Bosnien im Jahr 1989 vor Kriegsbeginn im früheren
Jugoslawien zuspitzt. Das Paar und sein kleiner Sohn leben in einer kleinen
Stadt, in der es neben der muslimischen Mehrheitsbevölkerung auch
Serben und Kroaten gibt. Doch der Krieg macht aus Freunden und Nachbarn
plötzlich Feinde. Die Eheleute flüchten mit ihrem Sohn über
Österreich nach Dänemark. Doch die Erinnerung an die Heimat und
die Erlebnisse lassen sie nicht los.
Der Geschichts- und Deutschlehrer hatte beim Zugang seines Buches eine
merkwürdige Herangehensweise. Er fing mit einem Kapitel mitten im
Buch an. Er kannte den Anfang, aber nicht das Ende. Schon seit den 90er
Jahren wollte Longerich über die Konflikte im früheren Jugoslawien
schreiben. Den Stoff dazu fand er in den Erzählungen der Klassenkameraden
seiner Söhne und der Schüler des Gymnasiums, als die ersten Flüchtlinge
aus dem Kriegsgebiet nach Dänemark und damit auch nach Tondern kamen.(...)
Für ihn habe der Titel „Immer wieder“ – die Gedanken bei seinen
Hauptfiguren kehren immer wieder – von Anfang an festgestanden. Frei nach
dem Motto der Bremer Stadtmusikanten „Etwas Besseres als den Tod findest
du überall“ ließ er seine beiden Protagonisten auf die Flucht
gehen, die in Dänemark endete, aber nicht mit einem Happy End. „Das
Buch eignet sich aufgrund seiner Handlung nicht als Lektüre, wenn
man sich damit ein paar gemütliche Stunden machen will“, meint Longerich
selbst. (...)
Das vierte Kind des Oberstudienrats
wurde viereckig
(...) ”Immer wieder” ist reine Fiktion, aber die Handlung basiert auf
Geschichten und Erfahrungen aus der eigenen Erfahrungswelt des Autors.
Die Hauptpersonen sind Bosnier, die Anfang der neunziger Jahre von der
Stadt Kozarac und dem Bürgerkrieg in Jugoslawien fliehen. Sie kommen
nach Dänemark, und die Handlung spielt im Spannungsfeld zwischen den
Erlebnissen, die die Hauptpersonen mit sich tragen, und dem Leben, das
sie in dem neuen Land aufzubauen versuchen.
„Es ist kein Kriminalroman, sondern eine dramatische und sehr traurige
Geschichte, in der es nicht sehr viele Lichtblicke für die Hauptpersonen
gibt“, verrät der Autor. (…)
(…) seit dem 1. August kann das Buch (…) gekauft werden. Vorläufig
nur auf Deutsch, aber der Autor hat eine stille Hoffnung, dass es ins Dänische
übersetzt wird. Nicht zuletzt spielt über die Hälfte der
Handlung in Dänemark, vor allem in Aalborg und Esbjerg. (…)
Uwe Iwersen, JydskeVestkysten
(12. August 2018 / orig. in Dänisch - eigene Übersetzung)
Von Krieg, Flucht und Integration
einer Familie
(...) Dieser Roman von Michael Longerich ist realistisch und beschönigt
nichts, vor allem öffnet er schonungslos die Augen vor diesen Erfahrungen
von Krieg, Flucht und schwieriger Integration. Als Motto stellt er dem
Roman ein Zitat aus dem Märchen der Bremer Stadtmusikanten voran:
"Etwas Besseres als den Tod findest du überall."
(...) Der Bonner Historiker Norbert Flörken hat den Reisebericht
des Arztes (Bernhard Constantin von Schönebeck) jetzt neu herausgegeben.
"Die Beschreibung des (Bonner) Schlosses, des Marktplatzes und der sonstigen
Örtlichkeiten sind zutreffend", sagt Flörken. Aufschlussreich
seien auch Schilderungen des Schlosses, des heutigen Universitäts-Hauptgebäudes.
Der Arzt beschreibe noch einmal das Bonn vor der Französischen Revolution
- ein wertvolles Dokument. (…)
Das Resultat ist auf jeden Fall eine Fundgrube. Wenngleich die "Mahlerische
Reise" natürlich nicht ganz leicht zu lesen ist, weil Flörken
dem mehr als 200 Jahre alten Text seinen Originalsprachton und seine Schreibweise
bewusst belässt. Doch historisch Interessierte werden ihre Freude
haben.
Ebba Hagenberg-Miliu,General-Anzeiger (6./7. Oktober
2018)
(...) Im Buch geht es um Marlene Meyer. Die schreibt gerne und recht
gut, nur kann sie damit meist nichts verdienen. Also geht sie den Weg,
den viele gehen müssen und manche sogar wollen: Sie arbeitet als Internet-Texterin
für eine PR-Agentur. Und damit beginnt das Elend. Sie verfügt
eben nicht über die Gabe, ihr Gehirn abzuschalten, sie ertappt sich,
wie sie ihr Werkzeug, die Sprache, missbraucht, um irgendwelchen Leuten
irgendwelchen Mist anzudrehen. Sie schreibt mit "Fingern aus Plastik (auf)
Plastiktasten Plastikworte". (…)
Es (das Buch) ist eine gnadenlos entlarvende und ehrliche Beschreibung
eines Politikbetriebs, der nur um sich selber kreist und längst vergessen
hat, wofür man angetreten war. Und komme jetzt keiner unserer "besorgten"
Bürger mit der AfD, weil die doch ganz anders sind ... Sind sie nicht.
... "Rotes Dreieck" beschreibt den Zustand eines Landes, in dem Probleme
nicht mehr gelöst, sondern nur noch anders benannt werden, in dem
Sprachregelungen und Formelkompromisse tatsächliche Politik ersetzen.
(...)
Titel und Klappentext überzeugen mich in Sekunden, ich stürze
mich in die Zeilen, will in meinem idealistischen und immer wieder
scheiternden Sprachsetzungs- und Weltverbesserungsversuchen abgeholt werden,
bin fasziniert von den miteinander verschränkten Textebenen, springe
zwischen der neutralen Erzählung in das Notizbuch der Protagonistin,
zurück in die Erzählung, darf mich da aber nicht gemütlich
einnisten, werde herausgerissen durch eine sich einmischende und mich ansprechende
allwissende Autorin (sie weiß seltsam oft auch, was ich denke), …
Als Leserin werde ich im doppelten Sinne aufgeklärt: zum Einen
auf der Ebene der Geschichte, wenn ich mit Marlene vor Wände renne
und in Abgründe blicke, zum Anderen von der Autorin, die von all den
Machenschaften im Politgeschäft und was sie mit den Menschen machen
nicht nur erzählt, sondern die sie erläuternd zuspitzt – immer
wieder erinnert sie mich daran, um was es geht. „Das einzig Wahre in der
Public Relation, teuerste Leserin, ist die Ware. […] PR inthronisiert das
Nichts, vor dem Marlene meditiert, Worte zwanghaft wörtlich nimmt
und tatsächlich glaubt, es ginge um die richtige Richtung, irgendwie
links. Irgendwie süß, oder?“ (S. 90). (...)
(...) In der aktuellen deutschsprachigen Literatur gibt es erstaunlich
wenige Bücher, die sich mit den Mühen des Arbeitslebens beschäftigen.
Entweder sind die Schriftsteller zu gut subventioniert (sicher falsch)
oder sie sind materiell anspruchslos (schon eher) oder so idealistisch
(vielleicht auch), dass ihnen das schnöde Geldverdienen nicht der
Rede wert ist. Rühmliche Ausnahmen sind beispielsweise Bernd Cailloux‘
Das Geschäftsjahr 1968/69 (2005), ein Roman über die Erfinder
des Stroboskop-Diskolichtes, und Terézia Moras Der einzige Mann
auf dem Kontinent (2009) über einen gründlich verschalteten IT-Vertriebsmenschen.
Ziemlich sicher gibt es ein paar mehr Bücher, die in diese Reihe gehörten,
und ganz sicher ist Katharina Körtings Roman Rotes Dreieck ein glänzendes
Beispiel von zeitgenössischer „Literatur aus der Arbeitswelt“, die
– zumindest in der Kreativwirtschaft – eine durch und durch prekäre
geworden ist. (...)
Dies Büchlein vermag seine Leser wahrhaft zu verzaubern. Es weckt
die Liebe und Sehnsucht nach dem Wachsen, Grünen, Blühen, Duften,
Reifen der Natur, dem Leben mit den Jahreszeiten ebenso wie die Sehnsucht
nach der Erinnerung an die eigene Kindheit, jene Zeit, in der Nachmittage
endlos waren, die Welt intensiv duftete und leuchtete und das Kind mit
seinen Sorgen und Ängsten dennoch getröstet und geborgen war.
Was für ein Geschenk - für sich und andere …
(...) Ihre Leser führt die Autorin im Buch übrigens nicht
nur am Mehlemer Bahndamm entlang, sondern auch in „Onkel Bens“ Godesberger
Garten im Villenviertel, wo „das Kind“ auf Besuch immer mit Leib und Seele
in eine verwunschene Dornröschenwelt eintaucht. Für den Onkel,
den „Compositeur“, ist sein Garten Refugium seiner künstlerischen
Weltflucht. Für die Nichte bedeutet er ganz einfach den „Duftrosengarten“,
dessen betörenden Gerüchen sie noch heute sehnsuchtsvoll nachzuspüren
versucht.
Dabei hört sie wie im Traum wieder, wie der Onkel vom Haus aus
Beethoven'sche Klaviersonaten spielt. Lamers hat kürzlich einmal von
außen in diesen Garten an der Hohenzollernstraße zu blicken
versucht. „Auch da ist alles kleiner, als ich es in Erinnerung habe.“
Im Buch hat sie eigene und Gedichte bekannter Lyriker mit auf die Seiten
verstreut. Dazu kommen einfühlsame Scherenschnitte von Brigitte Springmann,
die den beinahe entrückten Charme dieses Büchleins mit dem sanftgelben
Cover noch verstärken.
Die Gartenbuchautorin Dorothée Waechter hat Lamers ein Vorwort
geschrieben. Die von Lamers beschriebene Kindheit erweise sich als Entdeckungsreise
durch die Welt, konstatiert Waechter. Diese Welt müsse nicht weit
und groß sein. „Der Radius reicht nur bis in den Garten, der aber
zum Medium erster Weltverhältnisse gedeihen kann.“ Die Vermessung
der Welt dieses kleinen Godesberger Kriegskinds findet also in den Gärten
der alten Bäderstadt statt. (...)
(...) Diese kleinen Geschichten über das kindliche sich Aneignen
von Welt bleiben immer wahrhaftig. Kongenial werden sie ergänzt durch
die pflanzlichen Scherenschnitte von Brigitte Springmann. In der gewählten
altmeisterlichen, altmodischen Form dank unverkennbar wissendem Auge und
geübter Hand bilden sie ein wunderbares Pendant zu den sehr persönlichen
Schilderungen der Autorin. (...)
Kai Haberland, Grüner Anzeiger für
Pflanzen und Garten (1|2019)
Antworten auf das innere Sein
Ein anregendes schmales Bändchen. Interessant fand ich besonders
die Schilderungen, in denen die beeindruckbare, unbeschriebene und doch
vorgeprägte Kinderseele Antworten auf das innere Sein erhält,
sei es eine menschliche Begegnung oder ein besonderes Erlebnis im Garten
mit den Pflanzen, Zeugnis der innerseelischen Kommunikation und des Echolotes
unserer Welt, die sie spannend und auch im tieferen Sinn erfahrbar werden
läßt.
(...) Eine besondere Form der Satzmelodie zaubert Autor Günter
Detro. Der 68 Jahre alte pensionierte Lehrer aus Rheinbach-Oberdrees kreiert
kuriose und kriminelle Kurzgeschichten voller Wortwitz. Wenn sein Ermittler
fragt: „Und wie heißt der Kopf der Gang?“, antwortet sein Kollege
„Vermutlich Wolf“. Die Wortspiele und satirischen Anmerkungen lassen den
Leser wie auf einer weichen Wolke über die Worte gleiten. (...)
Eigentlich sind sich Lina und Natalie ein wenig fremd. Beide sind Anfang
20, haben durchaus manches gemeinsam und können sich dann doch nicht
immer ganz verstehen. Dabei müsste es eigentlich anders sein, denn
Natalie ist Fiktion. Sie ist Hauptcharakter in der Kurzgeschichten-Reihe
„Natalies Sinfonie“, und entspringt der Feder der Nachwuchsautorin Lina
Thiede. Über ihre Figur weiß sie aber noch lange nicht alles:
„Natalie muss ich erst noch richtig kennenlernen, ich versuche sie selbst
immer noch zu verstehen“, erzählt die junge Bonner Schriftstellerin
im Gespräch. „Das geht aber nur, wenn ich noch viele weitere Texte
über sie schreibe.“ (...)
Mit der Erzählung „Freunde, nicht diese Töne“ hat Autor
Falk Andreas Funke den Godesberger Literaturwettbewerb gewonnen.
Seine zunehmende Schwerhörigkeit muss für Beethoven niederschmetternd
gewesen sein. Doch was wäre, wenn es ganz anders gekommen wäre;
wenn sein Gehör Jahr um Jahr empfindlicher, die seiner Mitmenschen
– ja von ganz Wien – indes immer schlechter geworden wäre? Genau auf
dieser Annahme, dieser Vision, fußt die kurze Erzählung des
mit Herz und Seele Wuppertaler Autors Falk Andreas Funke, der mit dem ersten
Preis des 7. Bad Godesberger Literaturwettbewerbs ausgezeichnet wurde.
Die kondensierte Geschichte – kleine Formen sind ganz und gar Funkes
Metier, da fühlt er sich zu Hause, was sich auch in seiner Lyrik spiegelt
– beschreibt auf unterhaltsame, mit viel Liebe zur bildreichen Sprachlichkeit
gespickten Erzählweise diese sonderbare Umkehrung der Lebenssituation
des aus Bonn stammenden Komponisten.
Schließlich wird die Erzählung in der Uraufführung von
Beethovens 9. Sinfonie kulminieren – vor einem nahezu gänzlich gehörlosen
Publikum und mit hochgradig schwerhörigen Musikern. Einzig Beethoven,
der am Ende sogar das metaphysische zu hören vermag, bleibt als der
letzte Hörende übrig. (...)
Martin Möllerkies gewinnt
zum zweiten Mal Lyrikpreis
Er hat es schon wieder getan: Martin Möllerkies gewann zum zweiten
Mal hintereinander die „Wachtberger Kugel“ und setzte sich diesmal gegen
410 Mitbewerber durch. So viele Autoren aus ganz Deutschland und aus benachbarten
Ländern bewarben sich mit ihren komischen Gedichten um den Wachtberger
Lyrikpreis, der zum zweiten Mal ausgeschrieben worden war. Bei der Premiere
im vergangenen Jahr hatte der 56-jährige Hamburger nicht nur den Jurypreis,
sondern auch den Publikumspreis gewonnen. (...)
„Martin Möllerkies’ Gedichte überzeugen mit ihren fein- und
vor allem tiefsinnigen Reim- und Wortspielereien“, so begründeten
die beiden Erfinder des Wettbewerbs, Dieter Dresen und Herbert Reichelt,
das Urteil der Jury. Man spüre jederzeit die pure Freude an komischen
Sprachkonstruktionen und erkenne ein genaues, sensibles Sprachgefühl.
„Er hat einen tiefgründigen, auch sarkastischen Humor, der immer wieder
Lust auf mehr macht“, so Dresen in seiner Laudatio. (...)
(...) Historiker Norbert Flörken hat im Bonner Stadtarchiv und
in der Uni-Bibliothek 24 Briefe von fünf heimischen Rekruten wie Stephan
Wahlen ausgegraben und in seinem Buch „Bonner Soldaten in Napoleons Armee.
Zeugnisse der Jahre 1809-1815“ erstmals zusammengestellt. „Die Kriegslust
kitzelten“ sie wahrlich nicht, erläutert Autor Flörken. Dabei
waren sie als „Soldatenbriefe der Väter und Großväter“
vor dem Ersten Weltkrieg genau mit diesem Ziel gesammelt worden. Doch die
Dokumente der schlichten Bonner Napoleonkämpfer dürften die Nachgeborenen
wohl kaum zu den Fahnen getrieben haben. Spiegelten sie doch das erschreckende
Leben hilfloser einfacher Soldaten.
„In den Erinnerungen werden aber vor allem auch die Gräuel des
Kriegs drastisch geschildert“, sagt Flörken. Die hat Wahlen, der kleine
Soldat im 36. Infanterieregiment Frankreichs, nämlich schon 1811 bei
Calais erlebt. „Das Soldatenleben ist mir so verleidet, dass ich mir selber
ein Leid antun könnte. Es kommt auch keiner davon, bis er nicht krumm
und lahm geschossen ist“, steht in einem Brief, den seine Eltern sicher
mit großem Schmerz lasen. Suizidgefährdet war ihr Junge also
inzwischen. (...)
der kleine prinz auf seinem ich-planeten
oder die kunst der narzißtischen selbstkritik
ulrich bergmanns roman ist, unter anderem anknüpfend an figuren
und motive aus seinem roman „Doppelhimmel“ von 2012, ein lebensresümee
mit rückblicken auf seine kindheit und andere lebenszeiten, die teils
traumartig auftauchen, größenphantasien inbegriffen, ja zu einem
träumerischen gang durch das eigene leben werden. auch denkfiguren
der „Arthurgeschichten“, die 2005 als buch erschienen, erkennt der leser
wieder, so in gedanken an die transzendenz.
die hauptfigur janus rippe begegnet in einem pariser hotel dem französischen
schriftsteller jean giono, spricht fiktiv mit ihm und verinnerlicht seinen
blick für die eigenen betrachtungen des lebens: „und als er in die
Schwärze seines Zimmers schräg über dem Eingang des kleinen
Hotels zurücktrat, fühlte ich seine Augen unter meinem Schädel.“
der erzähler beschreibt und reflektiert den ichundglückskult
seiner figur, während sich, eingebunden in szenen eines paris-aufenthalts,
immer wieder momente der kindheit ins aktuelle erleben schieben.
parallel spricht janus, der wie der kleine prinz bei saint-exupéry
auf seinem ich-planeten von der schönen welt träumt, und die
meisten träume sind narzißtisch, mit stella, einer lebensrat
gebenden und das spielerisch phantasmagorische leben kritisch hinterfragenden
frauenfigur, die ihn auf paradoxien seines traumlebens hinweist und der
er entgegnet: „Ich stehe fest auf dem Boden des Traums.“ an anderer stelle
sagt er: „Ich lebe nach der Art der Dichter. Meine Einbildungen sind gemacht,
um in der Welt zu wohnen, die ich mir baue.“ ulrich bergmann, ein früchtepflücker
im regenwald der kultur, konnte seine lebenskunst entfalten, gerade weil
er nie als künstler leben mußte. liebe zum leben bedeutet ihm
vor allem liebe zur kunst, die lebenskunst inbegriffen. manchmal könnte
man glauben, er selbst sei eine aus der zeit gefallene opernfigur. die
beste aller welten wäre für ihn eine nie endende lebensoper.
(...)
die letzte botschaft von janus könnte lauten: wenn ich sterbe,
geht die welt verloren. rainer maria rilke schrieb: „Was wirst du tun,
Gott, wenn ich sterbe? / Ich bin dein Krug (wenn ich zerscherbe?) / Ich
bin dein Trank (wenn ich verderbe?) / Bin dein Gewand und dein Gewerbe,
/ mit mir verlierst du deinen Sinn.“ elias canetti, der in seinem postumen
„Buch gegen den Tod“ erklärte, der sonne und dem tod könne man
nicht fest in die augen schauen, meinte, der tod sei von gott und habe
seinen vater gefressen. den narziß janus, der sein eigener gott ist,
greift das nicht an. bei ihm heißt es: „Kein Gott ist so stark wie
ich, nicht einmal der Allmächtige.“
(...) Die Geschichte vom Mann, der seinen Hut spazieren führt,
könnte glatt von Ringelnatz sein. Ist sie aber nicht. Sondern von
Anja Martin. Sie handelt von einem passionierten Spaziergänger, dem
seine Frau einen Hut schenkt, nicht irgendeinen, sondern einen flotten
Stetson mit breiter Krempe. Doch das Präsent kommt nicht so gut an.
Fortan setzt der Mann, wenn er das Haus verlässt, seinen Hut nicht
auf den Kopf, sondern nimmt ihn an die Leine.
Die Geschichte nimmt noch einige kuriose Wendungen, genauso wie die
Geschichte vom Zahnarzt, der das Gebiss seiner Frau versteckt. Nicht aus
Bosheit, sondern weil er – nach Jahrzehnten Berufspraxis – Münder
ohne Zähne am schönsten findet. Das klingt zunächst reichlich
absurd, aber Anja Martin schafft es, diese Einfälle so zu weiter zu
stricken, dass der Leser sich und seinen Alltag darin wiederfinden kann.
(...)
Zum achten Mal hat der Verein Literatur in Krefeld (LiK) zu seiner Reihe
„Literatur am Nachmittag“ eingeladen. Anja Martin hat aus ihrem Buch „Mann
mit Hut. Skurrile Geschichten“ gelesen, das die Krefelderin Barbara Freundlieb
illustriert hat. (...) Die beiden Damen kennen sich schon lange:
„Wir sind in Düren zusammen zur Schule gegangen“, berichtet Martin,
die in Bonn lebt und arbeitet. „In der fünften Klasse war ich schwer
beeindruckt, als Anja ein selbstverfasstes Buch mit in die Schule brachte
und es auch gleich verkaufte“, erinnert sich Freundlieb.
Bei Klassentreffen begegneten die beiden sich wieder. „Als ich nun mein
erstes Buch veröffentlichen wollte, habe ich Barbara gefragt, ob sie
es illustrieren möchte.“ Diese Zusammenarbeit ist gelungen — beide
zeichnet ein liebevoller und freundlicher Blick auf die Menschen aus. Zum
Beispiel in der Titelgeschichte: Ein Mann geht täglich mit seinem
Hut spazieren. Allerdings nicht auf dem Kopfe, sondern an der Leine — seine
Frau hatte ihm den Stetson geschenkt mit dem Hinweis, der Hut werde ihn
beschützen. Aus Zuneigung korrigiert sie ihn nicht, wenn er die Kopfbedeckung
anleint und sich auf den Weg macht. Das ist skurril, überraschend
und liebenswert — wie alle Geschichten in dieser Sammlung. (...)
(...) Reichelt steht in guter Tradition von Ringelnatz, Erhardt, Gernhardt,
und man merkt auch seinem neuen Buch Der Kuss des Delta und weitere
Gedichte an, wie lustvoll er Verse schmiedet. Wortgewandt und meist
auch sehr scharfsinnig sind seine Beobachtungen über die Tücken
des Alltags, genauso wie seine Ausflüge in die Welt der Politik (etwa
über den »Schulzzug«), der Gesundheit oder der Kunst.
Reichelt spielt gern mit Sprache und ihm gelingt es selbst dann, ein
unterhaltsames, komisches Gedicht zu bauen, wenn er sich formale Schranken
aufbaut, die nahezu unüberwindlich scheinen, wie bei seinem Sonett-Experiment
»Wilde Weingelage oder: Entschuldigung in aller Form«. Noch
stärker allerdings sind seine Verse, wenn er einfach nur süffisant
beobachtet:
»Im Bus ist’s immer mal zu hören ›Bin Johannes-Kirche jetzt.‹ Ich lass mich nicht davon verstören wenn jemand solchen Unsinn schwätzt.
Denn schließlich seh’ ich ganz genau: Der Mensch ist doch kein Gotteshaus und wirkt auch sonst vom Körperbau eher wie Lukas oder Klaus.«
Nicht minder lesenswert: die »Trauerrede von Klawede«
oder die Parodien auf abgedrehte Rezensionen aus dem Feuilleton des Bonner
General-Anzeigers.
Interview mit Gesine Cahenzli. Die Fragen stellte Uthe Martin.
„Torben im Turm“ ist Ihr zweites Buch. Im Mittelpunkt steht ein 13
Jahre alter Junge. Worum geht es in dieser Geschichte? Es geht um den dreizehnjährigen Torben, der sich aus Angst vor
seinem psychisch kranken Vater in einem alten Leuchtturm versteckt und
darum, wie er einen Weg findet, den düsteren Schatten seiner Erinnerung
zu entkommen.
Als Leser leidet man mit dem Jungen, der sich isoliert und in eine
scheinbar ausweglose Lebenssituation manövriert wird. Torbens Vater
sieht sich von grausamen Göttern verfolgt. Da wünscht man sich
für den Jungen einen gütigen Gott, der ihm hilft. Sie sehen aber
Religion nicht als Ausweg? Ich denke, dass Torben vor allem Menschen braucht, denen er sich anvertrauen
kann und die in der Lage sind, ihm aus seiner inneren Not herauszuhelfen.
Dies kann sowohl in einem kirchlichen als auch in einem weltlichen Rahmen
stattfinden.
Offenbar gibt es keinen einzigen Menschen, an den sich Torben wenden
will, die Familie hält nach außen zusammen, aber weder Mutter
noch Schwester wissen sich oder einander zu helfen. Torben soll also seine
innere Stärke entdecken und selbst einen Ausweg finden? Das scheint
viel verlangt von einem 13-Jährigen ... Torben spürt von klein auf, dass seine Mutter oft verzweifelt
ist und will sie nicht zusätzlich belasten. Zudem ist sie gerade verreist,
als Torben einen Brief seines Vaters findet, der ihn zur Flucht veranlasst.
Zu seiner Schwester Frieda hat Torben zwar ein recht gutes Verhältnis,
doch ist sie bereits ausgezogen, als er von Zuhause wegläuft. Tatsächlich
ist Torben ein Kind, das durch seine häusliche Situation überfordert
wird.
Schließlich bekommt er wie durch ein Wunder doch Hilfe von
außen, von einem Fremden, aber erst, als er benennen und im wahrsten
Sinne des Worte beschreiben kann, was ihn bedrückt. Das Schreiben
hilft ihm. Sie leiten eine AG für kreatives Schreiben. Ist das Wissen
um die vielen „Torbens“ mit ein Grund dafür, dass Sie dieses Angebot
machen? Ursprünglich wollte ich einfach meine Begeisterung fürs Schreiben
weitergeben. Aber ich denke schon, dass das Schreiben den Jugendlichen
auch bei der Verarbeitung ihrer Erfahrungen behilflich sein kann. (...)
Das vollständige Interview mit der Autorin, Angaben zur Person
und zum Inhalt des Jugendbuches finden Sie im Südkurier
(11.10.2017)
(...) Es ist dieser Moment im Buch von Ellen Klandt, der ungemein schmerzt:
Die 1950 geborene pensionierte Lehrerin hält nach dem Tod der Eltern
deren Liebesbriefe aus dem Zweiten Weltkrieg in Händen – und sie begegnet
„zwei Fremden“, die sie fast nicht wiedererkennt. „Was in ihrer Jugend
und dann während des Kriegs war, haben sie uns Töchtern nie erzählt.
Ich habe nie Antworten bekommen“, meint Klandt immer noch fassungslos und
betrachtet zwei Fotos: das der blutjungen Mutter, anfangs Verkäuferin
aus der Kölnstraße, und das des wenig älteren Vaters in
Wehrmachtsuniform, der wenigstens ein halbes Lächeln versucht.
Klandt ist anhand der Briefe plötzlich eines klar geworden: Bevor
die Mutter 1944 die Bombenangriffe auf Bonn zu überleben versuchte,
war der Vater Teil der Truppe gewesen, die die berühmt-berüchtigte
Blockade Leningrads ausgeführt hatte. 1,1 Millionen Russen fielen
ihr zum Opfer. Die Deutschen hatten sie systematisch verhungern lassen.
Der Vater war an einem Kriegsverbrechen beteiligt gewesen. (...)
(...) Für den (Nörvenicher) Geschichtsverein hat Herbert Pelzer
zwei Veröffentlichungen geschrieben, jetzt ist mit „Durch die Jahre“
sein erster Roman erschienen – basierend auf einer wahren Begebenheit,
der Geschichte des Juden Josef Treu. Diese hat ihre Wurzeln im Dürener
Land, wo genau spielt für Pelzer keine Rolle. „Diese Geschichte hätte
sich überall so oder so ähnlich in Hitler-Deutschland ereignen
können“, sagt er. (…)
„Ich kannte diese Geschichte“, sagt Herbert Pelzer. „Sie hat mich tief
bewegt, deswegen habe ich sie recherchiert. Dass ich dieses Buch geschrieben
habe, war fast schon eine logische Konsequenz.“
Der Hobby-Historiker hat Angehörige der Treus in Mexiko ausfindig
gemacht. „Die Nachkommen der Treus sind total begeistert, dass ich dieses
Buch über ihre Vorfahren geschrieben habe. Sie sagen, dass ich ihnen
damit ein Fenster in ihre eigene Vergangenheit geöffnet habe.“ (...)
(...) Herbert Pelzer hat auf mehr als 400 Seiten ein umfangreiches und
gut recherchiertes Werk vorgelegt, das aufzeigt, wie der Nazi-Terror bis
ins kleinste Dorf reichte. Die Stärken des Buchs liegen in den
detailreichen und ergreifenden Beschreibungen des Alltags. (...)
(...) Die Graphic Novel Van Gogh des 21. Jahrhunderts ist somit nicht
nur etwas für Kunstkenner, auch wenn Anspielungen auf moderne Kunst
die gesamte Story durchziehen. Er ist auch etwas für Freunde des schwarzen
Humors und Fans verrückter Geschichten, die in ungewöhnlichen
und ausdrucksstarken Zeichnungen erzählt werden. Und er ist etwas
für alle Philosophen dieser Welt, die sich fragen: Ist der Mensch
von Natur aus schlecht? Gibt es das Gute? Wird unsere Welt irgendwann den
Bach runtergehen oder ist sie das schon längst?
Bitte, liebe Leser, nehmt euch ein paar Minuten und überfliegt
kurz einmal den Wikipedia-Artikel zu Vincent van Gogh. Ich trinke solange
ein Bier, so tschechisch wie der Autor des Comics, den ich euch heute vorstellen
möchte.
Fertig? Gut, aber ihr könnt direkt wieder vergessen, was ihr da
gerade gelesen habt. Van Gogh ist nämlich gar keine Figur aus der
Vergangenheit, sondern stammt aus unserem Jahrhundert – zumindest aus einer
grotesken und abstoßenden Version unserer Zeit. Stellt euch eine
Welt vor, die nur Katerstimmung und Rausch kennt. Dort, zwischen bitterer
Armut und ekelhaftem Reichtum, in Spelunken, deren dunkle Ecken abartige
Exzesse gebären, wartet ein gebrochener Mann, der euch die Geschichte
von Vincent van Gogh erzählt. (...)
Fazit
Ihr habt es vielleicht schon gemerkt: Dieser Comic ist nichts für
schwache Nerven und sanfte Gemüter. Drogen, Sex, Gewalt und sehr tiefe
menschliche Abgründe sind hier allgegenwärtig. Es gibt auch keine
positive Botschaft, das irgendwann alles besser wird, oder einen aufrechten
Helden, der trotz der Abartigkeiten in seinem Umfeld moralische Integrität
beweist. Hier gibt es nur gebrochene Gestalten, die sich zynisch oder desinteressiert
durch den chaotischen Strom treiben lassen.
Dennoch möchte ich diesen Band jenen ans Herz legen, die nun nicht
abgeschreckt, sondern interessiert sind. Wer Maximal-Dystopien abfeiert,
in denen die Menschheit wirklich alles verbockt hat, sollte einen Blick
riskieren. Wem sich schon beim Lesen dieser Rezension die Fußnägel
hochrollten, sollte diesen Band lieber in einer dunklen Ecke liegen lassen.
Eine von denen, die die Ärmel
hochgekrempelt haben
(...) Natürlich kommt auf der Messe
Migration auch die andere Seite zu Wort. Eine von denen, die Ende 2015
die Ärmel hochgekrempelt haben und aus Angela Merkels "Wir schaffen
das!" ein "Wir machen das!" gemacht haben. (...)
Auf dem Titel dieses druckfrischen Buches treibt ein großes geschnitztes
Einbaumboot auf den Leser zu. Sechs expressive Kopfstelen mit ernsten Gesichtern
schauen heraus. Dem brüllenden Monster "Terror" im Hintergrund sind
sie entronnen. Aber was wartet auf die, die die Flucht überlebten
und nicht wie der der kleine Junge Aylan im Mittelmeer ertranken, dessen
furchtbares Foto vom türkischen Strand 2015 um die Welt ging? Genau
das fragen die Bonner Autoren, die der Beueler Kid Verlag in seiner Neuerscheinung
"Wir machen das! - Leben mit Flüchtlingen" vereint hat. (...)
Das heißt, die Autoren dieses Buches malen keineswegs eine heile
Wir-haben-uns-alle-lieb-Klischeewelt der heutigen Flüchtlingshilfe,
sondern sprechen Klartext. (...) "Machen" bedeutet für sie alle, dass
jeder das einbringt, was er kann: vom Kleiderfalten bis zur Öffentlichkeitsarbeit,
vom Beherbergen bis zur Schulplatzvermittlung, von der Rechtsberatung bis
zur Sprachvermittlung - weg vom Mitleid hin zu einer Kultur des Teilens,
hin zu einer offenen Gesellschaft. (...)
Einen Blick (und einen zweiten und dritten) wert ist immer wieder die
Lyrik von Rainer Maria Gassen. Der in Bonn lebende Philologe (*1946) mit
dem großen Vornamen (und Mitinitiator der Bonner Buchmesse) hat sich
seit Jahren dem Sonett verschrieben – mit seinem nunmehr sechsten Band
Lektüre
in der Straßenbahn (Kid Verlag 2016, ) lotet er nicht nur dessen
Gestalt neu aus, auch inhaltlich ist er (wiewohl sich einer Sprache bedienend,
die alles andere ist als modernistisch) auf der Höhe der Zeit, verhandelt
er doch in jedem der 24 Gedichte, was jedes denkenden Menschen Leben immerzu
kennzeichnet: mit Antinomien umzugehen. »Zögerlich und entschlossen«,
»Für und gegen«, »Kalme und Sturm« – immer
wieder aufs zwischen Gegensätzen unterwegs zu sein.
»der Neugier Drängen ficht jedoch nicht an, das Reifen ist sich selbst Bedingung, legt sich quer und tut sich Schritt für Schritt nie schwer auf seinem Weg und feiert sich erst, wenn die Tage langsam immer kürzer werden;« (aus: »Bedächtig und eilig«)
Realiter in der Straßenbahn genossen, könnte die Lektüre
glatt dazu führen, dass man eigentlich bloß von A nach B will
und lesend vergisst, bei B auszusteigen. Dann hätte sich die Strecke
aber doch gelohnt, vielleicht gerade dann …
Besuch im Kirchturm von St. Josef
liefert die Idee
(...) „Die Geschichte ("Die Glocken von Beuel" von Jörg Weigand)
wird aus einer Zukunftsperspektive erzählt, in der das E-Book große
Verbreitung gefunden hat, viele Unterlagen aber noch nicht digitalisiert
sind und in den Archiven nachgeforscht werden müssen. Der Erzähler
ist solch ein Forscher, ob allerdings Profi oder Amateur, das bleibt unerwähnt“,
sagt Weigand.
Die Geschichte ist erfunden und ähnliche Ereignisse seien dem Autor
auch nicht bekannt. „Dennoch belegen natürlich immer wieder Berichte,
dass es jederzeit Ereignisse geben kann, die rätselhaft bleiben und
erst in Zukunft im Rückblick erklärbar oder fast erklärbar
werden“, so der Schriftsteller. Weitere Geschichten über Beuel hat
er bisher nicht geschrieben, aber einige Erzählungen, die in Bonn
und der Region spielen, etwa inr Wachtberg-Niederbachem. Dort hat der frühere
Journalist lange Jahre gewohnt, und der Ort bietet auch die Kulisse der
zweiten Geschichte in dem Buch ("Es war einmal").
Anke Vehmeier,General-Anzeiger (10. Mai 2017)
Buch mit weitgefächertem Themenbereich
(...) Dieses Buch mit seinen 164 Seiten ist vom Themenbereich her weit
gefächert. Die Kurzgeschichten sind interessant geschrieben und lassen
die Leserinnen und Leser oftmals auch schmunzeln. Dem Ideenreichtum sind
in diesem Buch keine Grenzen gesetzt. Es ist sehr unterhaltsam. (...)
Bonn-Report (Mai 2017)
Phantastisches in Bonn
(...) Nun ist diese wundervolle Geschichte ( "Die Lanze des Mauricius"
von Karsten Beuchert), zusammen mit einigen anderen, in diesem Frühjahr
in der Anthologie „Tanz der Kirschblüten“ im Bonner Kid Verlag erschienen
und jedermann und jedefrau können sie lesen. So weit so gut.
(...)
Was also ist der Grund für dieses leise Gefühl des Unbehagens,
das mich beim Betrachten des nämlichen Buches überkommt wie ein
jäher Frosthauch an einem warmen Sommernachmittag? War es unvorsichtig
von mir, die Genehmigung zum Abdruck zu erteilen? Was wird geschehen, wenn
irgendjemand auf die Idee kommt, die Geschichte könnte mehr sein als
bloße Fiktion? Obwohl ich mir in den letzten Jahren große Mühe
gegeben habe, meiner Existenz als Phantast einen möglichst harmlos
wirkenden Anschein zu geben, kommt der Erzähler in der Geschichte
dem wahren Wesen meiner Kunst beunruhigend nahe.
Ist Herr Beuchert sich bewusst, was er da geschrieben hat? (...)
(...) Die Textsammlung, die im Bonner Kid Verlag erschienen ist, trägt
den Titel eines Gedichts des Wettbewerb-Gewinners
Holger Evang-Lorenz, der damit an das Massaker in dem griechischen Ort
Distomo im Jahre 1944 erinnern will. Der ehemalige Krankenhausseelsorger
tut dies in einem recht prosaischen, fast schon essayistischen Stil, ohne
poetische Verdichtungen, Reime und Rhythmen - erst durch das Druckbild
wird die Zuordnung zur Lyrik überhaupt deutlich. Zugleich pflegt er
eine klare Sprache, die ohne Umschweife zeigt, was es zu zeigen gibt. (...)
Ursula Kosser war am 26. Juni 2017 Gast bei "daheim + unterwegs". Das
Video der Sendung gibt es hier.
Ziemlich das Intimste
Das eigene Tagebuch ist so ziemlich das lntimste, was ein Mensch hervorbringen
kann. Als Außenstehender da reínzugucken, zählt zu den
größten Taktlosigkeiten, die denkbar sind – außer natürlich,
der Tagebuchschreiber erlaubt es; und das ist in unserer Hallo-guckt-mal-ich!-Gesellschaft
inzwischen durchaus üblich, so fand die Bonner Journalistin Ursula
Kosser heraus. 18 Menschen, zwischen 18 und 73 Jahren alt, haben ihr den
Einblick in ihr schriftgewordenes Privatleben gestattet; das Ergebnis erscheint
in kleinverlagstypisch unspektakulärer Softcover-Aufmachung, hat's
aber in sich. Liebeleien und Sex, Kummer und Bosheiten, Geniales und Banales
- Kosser analysiert, was die so verschiedenen Diaristen an Erlebnissen
und Gedanken aufnotierten, setzt es in Zusammenhang mit Betrachtungen zum
Tagebuchschreiben (eine interessante Liste von lnternetlinks ist beigefügt)
und macht das Buch so zu einer fabelhaften Einführung in eine faszinierende
Kulturtechnik, die nicht für Großliteraten reserviert ist. Sätze
wie in Stein gemeißelten liefern die schließlich auch
nicht ständig: „Heute trübes, dampfiges Wetter" (Thomas Mann,
30. Juni 1945). (...)
Wolfgang Pichler,General-Anzeiger (18./19. März
2017)
+++ Die französischen Jahre in
Bonn - 1794 - 1814 +++
Bevor die Preußen kamen
In der Regionalgeschichte ist Norbert Flörken zu Hause. Und das
liegt nicht nur daran, dass die Bonner Spuren seiner Familiengeschichte
bis in das Jahr 1680 zurückzuverfolgen sind. Nach früheren Exkursionen
in das 16. und 17. Jahrhundert sowie die Zeit des Nationalsozialismus in
Troisdorf hat sich der frühere Latein- und Geschichtslehrer zuletzt
zwei Jahre lang in jene Zeit vertieft, die als die „französischen
Jahre“ bekannt sind. Gemeint sind die zwei Jahrzehnte um 1800, in denen
in Bonn französisch gesprochen, mit Franc und Centimes bezahlt und
mancher „Freiheitsbaum“ nach subversiven Aktionen des nächtlichen
Widerstands per Neupflanzung ersetzt werden musste. „Die französischen
Jahre in Bonn - 1794 bis 1814“ heißt Flörkens neuestes Buch.
570 Dokumente hat er auf knapp 950 Seiten versammelt. (...)
Und doch kommt Norbert Flörken zu einer differenzierten Bewertung
jener Zeit: „Als 1814 das Rheinland den Franzosen wieder abgenommen wurde,
war es anderen Landesteilen Deutschlands in politischer, wirtschaftlicher
und sozialer Hinsicht weit voraus.“ Erbitterten Widerstand jedenfalls,
wie dies von Zeitgenossen teilweise literarisch dargestellt und womöglich
überhöht wurde, hat es in Bonn gegen die Franzosen nach Überzeugung
Flörkens nicht gegeben. (...)
Rüdiger Franz,General-Anzeiger (21. Dezember
2016)
Insider und Vielleser wissen es natürlich: Im Literaturbetrieb
geht es nicht nur nicht immer nicht gesittet zu, sondern manchmal regelrecht
rabiat. Ruchlose Verleger und niederträchtige Kritiker gehören
zum Betrieb wie die Schneide zum Messer - aber auch die Literaten und Innen
selbst können höchst unfein außer sich geraten, wenn es
darum geht, sich tatsächlicher oder vermeintlicher Kränkungen
zu erwehren, Konkurrenten niederzumachen und was dergleichen Affekte mehr
sind. Und wehe, wenn ein Schriftstellerpaar sich entzweit - dann wackeln
die Wände im Elfenbeinturm.
Johannes Wilkes hat für seine ›Nahaufnahme‹ des Rosenkriegs zwischen
Ingeborg Bachmann und Max Frisch kürzlich einen Literaturpreis bekommen
- weitere solcher ›Nahaufnahmen‹ versammelt der jüngst erschienene
Band Nichts als Streit und Ärger. Gediegenen Gossip
aus der deutschen Literaturgeschichte hat der (praktizierende) Mediziner
und Psychotherapeut Wilkes hier zusammengetragen, »Skandale und Tragödien«
aus mehreren Jahrhunderten: Voltaire gegen Lessing, Heine gegen Platen,
Bettina (»Bettine«) von Arnim gegen Christiane Goethe. Aus
letztgenannter Schilderung stammt der entzückende Satz, den wir in
der Überschrift zitieren - Bettina schleuderte ihn Christiane hinterher,
nachdem diese gegen die vornehme Bettina (die es sich indes nicht nehmen
ließ, gegen ›die dahergelaufene Weibsperson‹, die ihr den geliebten
Goethe abspenstig gemacht hatte, zu sticheln) handgreiflich geworden war.
(...)
Wilkes Schreibstil hat etwas von Anamneseprotokoll - kurze Sätze,
Telegrammstil. Keine Schnörkel - wobei dann schnörkeldialektisch
doch wieder welche entstehen: die Wilkeschen Anamnesekurzssätze. »Jenseits
der Literatur. Reich-Ranicki hatte ihn aussortiert. Aus dem Kreis der Autoren,
die in Frage kamen. Wie einen faulen Apfel.« (Kapitel »Walser
gegen Reich-Ranicki - Tod eines Kritikers«; ebenfalls (un)gemein
interessant.)
Das ist auf Dauer etwas anstrengend. Aber man muss das Buch nicht so
›in einem durch‹ lesen, dass einen dieser Stil stört. Es bietet sich
vielmehr an, einen Happen zu nehmen. Macht man aber nicht, weil es einen
dann doch packt.
Vierzehn Geschichten aus dem Leben unterschiedlicher Schriftsteller
zu unterschiedlichen Zeiten umfasst Nichts als Streit und Ärger:
Deutsche Literaturgeschichte in Skandalen und Tragödien. Wir lesen
von Voltaires Verärgerung über Lessing, der ihm vor der Veröffentlichung
ein Buch gestohlen haben soll, das dem König gewidmet war; somit gebühre
nur diesem das Recht, das erste Exemplar zu empfangen. Letztendlich führte
das zum Bruch zwischen den beiden Schriftstellern. Achtzehn Seiten sind
der Beziehung Ingeborg Bachmanns zu Max Frisch gewidmet, deren leidenschaftlicher
Liaison und ihrer schmerzhaften Entzweiung.
Johannes Wilkes, der schon einige Texte zu literarischpsychotherapeutischen
Themen verfasst hat, verfolgt dabei keinen literaturwissenschaftlichen
Ansatz, erzählt die Begebenheiten launig und mit einem subjektiven
Blick auf die Gefühlswelt der Autoren in Situationen, die Teil der
deutschen Literaturgeschichte geworden sind.
Gedichte voller Scharfsinn, Ironie,
einem gewissen Sarkasmus
(...) Herbert Reichelt treibt offensichtlich immer noch und anscheinend
immer mehr die Freude am Gestalten von Sprache, das Neuzusammensetzen und
Verfremden von Wörtern. Aus dieser Lust lässt er ganze Zeilen,
die sich reimen, ganze Gedichte in strenger Form entstehen, um im selben
Zug gleichsam aus jedem Buchstaben seinen manchmal schelmischen, gelegentlich
bösartigen und dann und wann auch derben Humor blitzen zu lassen.
Herbert Reichelt schreibt keine platte Gelegenheitslyrik, sondern liebevoll
Gedichte voller Scharfsinn, Ironie, einem gewissen Sarkasmus und einem
Bild am anderen – es ist Dichtung auf einem Niveau einer guten Komödie.
Dies ist kein Spiel für Dilettanten, man muss Gedichte aus Sprache
geradezu weben können, ohne sie beherrschen zu wollen, denn sonst
zerbrechen die zwar biegsamen, aber dennoch zarten Wörter und Sätze
in peinliche Reimerei.(...)
(...) Elly Ney und Karlrobert Kreiten. Zwei Musiker unterm Hakenkreuz
lautet der Titel einer unlängst erschienenen Studie. Sie lenkt die
Aufmerksamkeit auf einen trotz seiner jungen Jahre erfolgreichen
Pianisten, der im Januar 1943 in der Bonner Beethovenhalle auftritt und
noch im selben Jahr - obwohl eher unpolitisch - wegen "Hetzereien" gegen
das nationalsozialistische Regime denunziert und 27-jährig in Berlin-Plötzensee
hingerichtet wird. Ohne wohlfeile Polemik beleuchtet der Autor der Studie
die fatalen gesellschaftlichen Auswirkungen diktatorischer Systeme, in
denen der eine Künstler als Täter figurieren darf, während
der andere als Opfer endet. (...)
Martin Geck: Beethoven: Der Schöpfer und sein Universum,
München 2017
Vor einer Folie
(...) Die Studie des Bonner Musikwissenschaftlers ist seriös recherchiert
und aufwändig dokumentiert. (...)
(...) Hinterkeuser, ... , war gestern das erste Mal seit sieben Jahren
wieder an einer Schule, um seine Forschungen insbesondere über Kreiten
dem Leistungskurs Geschichte der 12. Klasse der Elisabeth-Selbert-Gesamtschule
zu präsentieren. (...) „Ich habe keine Biografie geschrieben,
sondern versucht, Zusammenhänge herzustellen.“ Zusammenhänge
zwischen einer „glühenden Hitler-Anhängerin“ und einem „musikalischen
Wunderkind.“ „Eine Motivation für meine Arbeit war die Frage, inwieweit
sich Elly Ney für ihren jungen Bonner Kollegen eingesetzt hat, als
dieser von der Gestapo verhaftet und vor den nationalsozialistischen 'Volksgerichtshof'
des Roland Freisler gestellt wurde. Andere bedeutende Musikerpersönlichkeiten
haben die Rettung versucht, wenn auch letztlich ohne Erfolg, wie zum Beispiel
der Dirigent Wilhelm Fuchtwängler. Und Elly Ney? Hat sie sich eingesetzt?
Nein!“, so Hinterkeuser. Nach Recherchen von Hinterkeuser wurde beispielsweise
in ihrer Autobiografie "alles ausgespart, was sie hätte belasten können".
(...)
(..) Ebenso abwechslungsreich wie die Themen der Werke ist auch das
Teilnehmerfeld. Neben erfahrenen Autoren und Hobbyschreibern nehmen vereinzelt
auch Schüler teil. Und das mit Erfolg: Die 17-jährige Caroline
Maurer konnte mit ihrer Geschichte über ein Flüchtlingskind überzeugen
und wurde mit in die Anthologie aufgenommen. "Das Schreiben macht mr Spaß,
und ich mache es gerne. Für mich ist es etwas ganz Besonderes und
Neues, dass ein Text von mir veröffentlicht wird", freute sich die
Schülerin bei der Vorstellung des Sammelbandes. (...)
Yannick Schwipperich, General-Anzeiger (5.4.2016)
so (beklemmend) gut
(..) Doch die titelgebende Story von Michael Wenzel (erster Preis),
sprachmächtiges Porträt eines urbanen Desperados, ist so (beklemmend)
gut, dass allein sie den Erwerb der Anthologie wert ist, ebenso der Beitrag
des zweiten Preisträgers Johannes Wilkes, »Frisch gegen Bachmann:
Wenn Liebe in Hass umschlägt«, die sachlich-präzise wie
zugleich einfühlsame ›Nahaufnahme‹ eines berühmten Rosenkriegs
und seines fatalen Verlaufs.
Ein Erleben, zu dem auch die kritische
Reflexion gehört.
(..) Die ausgewählte Erzählung (von Sabine Schlemmer: Am
Weges Rand) ist eine Verbindung zweier Künste, denn der Text wird
durch Fotos ergänzt. Beide stammen von einem ihrer Spazierwege im
Hügelland, den sie ein Jahr lang einmal in der Woche gehe – immer
wieder. „Ich beobachte, wie sich die Bäume verändern, wie sich
Knospen an den Sträuchern bilden.“ Und sie achte nach der Ernte auf
die Heuballen. Schöne Erinnerungen mischen sich in der Erzählung
mit dem aktuellen Erleben. Ein Erleben, zu dem auch die kritische Reflexion
gehört. „Viele Plastikreste der eingepackten Heuballen bleiben liegen,
werden untergepflügt und gelangen in die Nahrungskette“, hat Schlemmer
beobachtet. (...)
Gesine Cahenzlis Buch „Liebesver(sp)brechen“ erzählt die Geschichte
der 15 Jahre alten Sophie, die glaubt, ihre große Liebe gefunden
zu haben. Sie erlebt einen Albtraum.
Interview zum Weltfrauentag am 8. März mit der Autorin Gesine
Cahenzli über „Loverboys“, die jungen Mädchen die große
Liebe vorgaukeln.
Frau Cahenzli, für den 10. März ist im Rahmen der Veranstaltungen
zum internationalen Frauentag ein Vortrag mit dem Thema „No Loverboys“
angekündigt. Das ist auch Thema Ihres Buches „Liebesver(sp)brechen“.
Was ist eigentlich ein Loverboy?
Loverboys sind Zuhälter, meist junge Männer oder Teenager,
die minderjährige Mädchen in die Prostitution zwingen. Dabei
spielen Loverboys ihren Opfern die große Liebe vor. Was aber anfangs
nach Liebe aussieht, wird zu einer schrecklichen Falle für die Mädchen.
(...)
Das vollständige Interview mit der Autorin im Südkurier
(8.3.2016)
Auch wenn die geschilderten Ereignisse teilweise bereits 40 Jahre zurückliegen:
Dieses Buch ist aktuell. Und dass es einige Sprengkraft enthält, liegt
keineswegs (nur) daran, dass es aus der Feder eines Soldaten stammt. (...)
(...) Persönliche Erfahrungen, diplomatische Aufgaben und die Schilderung
der politischen Begleitumstände gehen nahtlos ineinander über.
Gerade diese Melange macht das Buch so interessant. (...) Das Buch ist
ein ein anschauliches Lehrstück darüber, welche Herausforderungen
einen Offizier im diplomatischen Dienst erwarten können.
"Nichts darf ich, alles muss ich." - Erziehung mag für Eltern ein
schwieriges Geschäft sein, für Kinder ist sie die reine Hölle.
So denkt zumindest Tobias, der seine "strengsten Eltern der Welt" gerne
eintauschen würde. (...) Und für "strenge" Eltern ist der Kinderroman
ein perfektes Geschenk, weil Tobias schnell und ganz handfest erfährt,
dass er von Mama und Papa weit mehr bekommen hat als nur Verbote. (...)
(...) Hans Weingartz hat sehr gut ausgewählt. Er zeigt Kunstorte
auf, die sich in manchem unterscheiden: Verschiedenartig sind die Parkanlagen,
die Skulpturenwege, die Träger, Stifter und Initiatoren. - In einem
Punkt jedoch gleichen sie sich (Sie ahnen es schon!): Kunst ist im Rheinland
kein museales Thema. Sie begegnet uns überall.
Eine anschauliche Ermunterung zu Skulpturenausflügen im Rheinland.
Der geneigte Leser dieses Büchleins wandelt vor allem auf zwei
Skulpturenpfaden: Dem uns naheliegenden auf der anderen Rheinseite in Remagen
und dem Pfad mit dem eigenartigen Titel „Menschen - Spuren“. Es geht um
das Neandertal, wo 1856 die Überreste des Neandertalers gefunden wurden
– insofern schlägt dies doch die Brücke in unsere Region, denkt
man an den weltberühmten Fund von Oberkassel. Mit einer Länge
von 1.200 Metern ist der Neandertaler Kunstweg allerdings nicht all
zu lang. Schade, dass der deutlich längere Basalt-Skulpturen-Weg von
Unkel nach Linz nicht berücksichtigt wurde (Wir werden ihn in einem
der nächsten Hefte ausführlich vorstellen)! Deutlich mehr Raum
widmet Hans Weingartz den Skulpturenparks. Davon bietet sich aufgrund der
Entfernung vor allem der Kölner Skulpturenpark als Ausflugsziel
an. Zum Teil hervorragende Fotos des Autoren schmücken den Band, der
seit über 40 Jahren in Bonn lebt und ohnehin gebürtiger Rheinländer
ist.
Es bleibt „tierisch“ bei Eva Künzel: Nachdem
sie im vergangenen Jahr das gleichnamige Buch mit Kindergedichten von Sabine
Heinke illustriert hatte (der Westfälische Anzeiger berichtete), ist
nun ihr zweites Büchlein erschienen: „Der schwarze Kater“ heißt
es, und mit ganz eigener Handschrift hat Eva Künzel darin Edgar Allan
Poes meisterhafte Erzählung auf ungewöhnliche Art illustriert.(...)
Die acht Autoren (...) sind nun in einem handlich-kleinen,
aber feinen Erzählband mit jeweils mehreren Beiträgen vertreten.
"Es sind hauptsächlich Texte über die Schattenseiten unseres
Lebens, deshalb der Titel nach einer Erzählung unserer aktuellen Wettbewerbsgewinnerin
Renate Fröhlig-Striesow", erläuterte Herausgeberin Barbara Ter-Nedden.
(...)
(...) Mit den für diese Kunstform eigenen
Mitteln rückt der Künstler Landschaften, Orte, Plätze und
sehenswerte Bauwerke ins Blickfeld des Betrachters und hebt die Schätze
der Eifel.
Wissen Sie eigentlich, liebe Leserinnen und Leser, was man nicht selten
sagt: “Man wird so alt wie eine Kuh und lernt immer noch dazu!“
Solche Bücher, wie das vom Kid Verlag mit dem Titel “Kreuz &
Quer durchs Wissen“ und dem Untertitel “Werde Small Talk Meister“ werden
stets gerne gelesen. (...) Vieles, was in diesem Buch verewigt ist, kennt
man zwar, aber was es bedeutet, weiß man nur bedingt, wenn überhaupt.(...)
Bonn-Report - einige Ansichten aus dem Buch gibt es als Video-Clip
hier...
Heinrich Brodeßer schafft
beeindruckende Ansichten der Stadt
Das gab es auf dem Bonner Büchermarkt
noch nicht: alte und neue Stadtansichten, liebevoll in Federzeichnungen
angelegt, die in ihrer Feinheit, aber auch mit Herz und Witz eine ganz
individuelle Lanze für die Stadt brechen. Die Zeichnungen stammen
aus der Feder von Heinrich Brodeßer, und der Bonner Kid-Verlag hat
die sehenswerten Werke des 84-jährigen Troisdorfers als Buch in sein
Programm aufgenommen.
"Heinz Brodeßer widmet sich seit Jahren
mit seinen grafischen Arbeiten der Gestaltung von Stadtansichten", sagte
Verleger Hans Weingartz bei der Buchvorstellung im Amtszimmer von Oberbürgermeister
Jürgen Nimptsch.(...)
Das zart festgehaltene Spiel von Licht und Schatten,
die immer wieder atemberaubend neuen Einblicke in Architekturlandschaften
belegen, dass der pensionierte Lehrer ein sensibler Beobachter und feinsinniger
Zeichner ist. Auch die Architektur der diversen Rheinbrücken hat Brodeßer
gepackt. Akribisch hält seine Feder jedes Detail fest. "Sie schaffen
hier ganz andere Einblicke als jedes Foto", resümierte schließlich
der Oberbürgermeister.
Auf 173 Seiten präsentiert er (Heinrich Brodeßer)
ebenfalls „Bonner Impressionen“. Sie sind jedoch liebevoll in Federzeichnungen
angelegt und brechen in der Feinheit des Strichs, im Spiel von Licht und
Schatten, aber auch mit Herz und Witz eine ganz individuelle Lanze für
die Stadt am Rhein.
Prächtige Gebäude wie die ehemalige
Bonner Stadthalle in der Gronau, im Volksmund "Die Bierkirche" genannt,
werden zum Leben erweckt Rund um die Altstadt geht es weiter in die Vororte
Godesberg und das rechtsrheinische Bonn, wobei auch die Flussübergänge
ins Bild kommen. (...)
Jährlich kommen zahlreiche Bildbände
auf den Markt. Darunter einige recht kunstvollgestaltete Bände. Jedoch
hervorragend gestaltete Bildbände in Form von Federzeichnungen sind
selten in Buchhandlungen zu finden.
Anders bei dem umfangreichen Werk des Autors Heinrich
Brodeßer, der in seinem Buch "Bonner Impressionen – Alte und neue
Stadtansichten in Federzeichnung" mit 126 Federzeichnungen ein wahres Kunstwerk
geschaffen hat. Seit einigen Jahren widmet sich der Autor und Zeichner
des Buches mit Arbeiten der Gestaltung von Stadtansichten. Ein großes
Kompliment an den Künstler! À la bonne heure, Herr Brodeßer!
(...)
Manfred Rademacher,Hardtberg-Bote (19.4.2015
) - mit einem Video-Clip
zu dem Bildband
(...) Das Buch bietet einen interessanten Beitrag Regionalgeschichte.
Zu jedem Jahrhundert fasst Link Wissenswertes über die damalige Schule
zusammen – angefangen von den Klosterschulen bis zur heutigen Zeit...
Wenn man über Bücher spricht, steht meistens die schriftlich
festgehaltene Literatur im Vordergrund. Aber es gibt auch schöne Bücher
mit Abbildungen von faszinierenden Kunstwerken. Ein solcher Kunstbildband
ist im letzten Herbst von Berta Brodeßer erschienen. (...)
(...) Das Novum der verdienstvollen Arbeit liegt wohl in erster Linie
darin, dass Figatowski sich einer kinderliterarischen Randerscheinung zuwendet,
die in der gegenwärtigen Debatte, in der es vor allem um das All-Age-Phänomen
sowie um die medialen Verarbeitungen der KJL geht, höchstens eine
marginale Rolle spielt. Es ist zu wünschen, dass der Autor seine Arbeit
weiterverfolgt und im Hinblick auf aktuelle Entwicklungen ausbaut. Mit
der vorliegenden Studie ist dafür eine gute Grundlage geschaffen.
Kirsten Kumschlies, Universität Oldenburg - Kjl &
m. Forschung.Schule.Bibliothek. 66. Jahrgang, 1. Vj. 2014. S. 85-86
Bahnbrechende Grundlagenarbeit
Auch wenn es inzwischen nicht mehr ganz so schlimm erscheint, wenn sich
ein deutscher Nachwuchs-Akademiker mit der Science Fiction beschäftigt
- die Zahl der Doktorarbeiten, die sich hierzulande explizit mit diesem
Zweig der Literatur beschäftigen, ist immer noch sehr niedrig. Umso
bemerkenswerter ist Bartholomäus Figatowskis Dissertation in Deutscher
Philologie, die er an der Universität.Köln einreichte und die
jetzt im Bonner Kid Verlag unter dem Titel »Wo nie ein Kind zuvor
gewesen ist...« (ISBN 978-3-929386-35-6) erschienen ist. Auf mehr
als 400 Seiten beschäftigt sich Figatowski mit einer sehr speziellen
Untergattung der Zukunftsliteratur, für die er tatsächlich bahnbrechende
Grundlagenarbeit leistet: mit der Science Fiction für Kinder und Jugendliche.
Wie sehr es noch an einer Untersuchung über die »Kindheits
und Jugendbilder in der Science Fiction für junge Leser« (so
der Untertitel) gemangelt hat, zeigt sich vor allem an der von Figatowski
verwendeten Sekundärliteratur. Obwohl er fast eintausend Fußnoten
zum Haupttext macht und sich dabei voll auf der Höhe des aktuellen
Diskussionsstandes zeigt, muss er, wenn es um seinen Themenschwerpunkt
geht, immer wieder auf Quellen aus den (offenbar experimentierfreudigeren
und theorieoffeneren) 1970er und 1980er Jahren zurückgreifen. Deshalb
kann es nicht verwundern, dass Figatowski mehr als die Hälfte seiner
Arbeit (»Teil 1 - Zur Theorie und Poetik der Science Fiction für
junge Leser«) für die Entwicklung noch fehlender Grundlagen
aufwendet. Ausführlich geht er auf die Definitionsproblematik, die
Perspektiven der Vermittlung, die Typologie und die Handlungsfelder, sowie
auf die Traditionslinien juveniler Science Fiction ein. Dabei widerspricht
er vehement der früher oftmals geäußerten Meinung, dass
Science-Fiction-Entwürfe speziell für Kinder und Jugendliche
»nicht sinnvoll« seien (S. 81).
Nachdem Figatowski für einen Großteil der Science-Fiction-Geschichten
für junge Leser, die bis 1980 erschienen sind, einen eher wertkonservativen
und einschränkenden Bezug zur »klassischen« Science Fiction
eines Jules Verne, H. G. Wells, Hans Dominik und Robert A. Heinlein herstellen
konnte, geht er im zweiten Teil (»Analysen: Figurationen von Kindheit
und Jugend in der Science Fiction für junge Leser seit den 1980er
Jahren«) anhand ausgewählter Beispiele davon aus, dass die seither
erscheinenden Texte einem deutlichen Wandel unterliegen. In den schematisierten
Lektüren (Inhalt, Erzählweise, Sprache, typologische Zuordnung
usw.) von neun Zukunftsromanen, die zwischen 1987 und 2003 erschienen sind,
erkennt Figatowski sowohl neue Herangehensweisen als auch aktualisierte
Bezugnahmen auf die veränderten Lebensumstände des Zielpublikums
durch die Verfasser der Texte.
Die (insgesamt auch gut lesbare) Arbeit Figatowskis zeigt anhand ihrer
Beschränkung auf einen Teilaspekt, den sie dann auf herausragende
Weise erforscht, welches Potenzial in der Genreliteratur noch versteckt
ist - und wie dringend eine weitere akademische Erschließung dieser
literarischen Teilbereiche wäre.
Excellenter Fachmann in Sachen (SF-)Literaturtheorie
(...) Bartholomäus Figatowski präsentiert sich mit diesem
Werk nicht nur als excellenter Fachmann in Sachen (SF-)Literaturtheorie
sondern auch als außergewöhnlich guter Kenner des Genres. Nach
mehr als vierzig Jahren als SF-Leser macht es Spass die unheimlich vielen
zitierten Titel (...) noch einmal am inneren Auge vorbeiziehen zu lassen.
Die mehr als 900 (!) Fußnoten sind keineswegs störend, sondern
gerade für „erfahrene Altleser“ oft eine Quelle des Entzückens.
Als solcher kann ich die objektiven und feinsinnigen Kommentare und Analysen
des Autors meist auch sehr gut nachvollziehen. Am Schluß daher wirklich
eine ausgesprochene Empfehlung für dieses lesenswerte Werk, das vor
allem im ersten Teil als wissenschaftliches Basiswerk für weitere
Arbeiten auf dem Gebiet der Science Fiction dienen kann.
Karl E. Aulbach,Fandomobserver,
Nr. 280/ Oktober 2012 + Fantasia 591e – Magazin für Phantastik - Karl
E. Aulbach: Kaminlektüre
Ein informatives Werk
(...) Ohne Zweifel ist »Wo nie ein Kind gewesen ist …« ein
informatives Werk zum Thema Kinder und Jugend-SF. Es liefert sowohl Grundlagen
zur Theorie, als auch umfassende Beispiele. Eine Umwandlung in ein populärwissenschaftliches
Werk und die Einbeziehung von Texten, die den Spaß am Abenteuer fokussieren,
ist wünschenswert.
Ralf Steinberg,fantasyguide.de, 5. Juli 2012
Interview mit Bartholomäus
Figatowski
Ralf Steinberg vom Fantasyguide führte nach dem Erscheinen von
"Wo nie ein Kind zuvor gewesen ist..." mit Bartholomäus Figatowski
ein Interview. Hier ein Ausschnitt:
Fantasyguide: Im Bonner Kid Verlag erschien gerade Deine Dissertation
zum Thema Kinder- und Jugend-SF als Sachbuch zu einem kleinen Preis. Mir
fiel auf, dass die Textdarstellung deutlich wissenschaftlich blieb, also
sehr viele Fußnoten und Anmerkungen. Warum hast Du den Stoff nicht
allgemeinverständlicher aufbereitet?
Bartholomäus Figatowski: Ich würde behaupten, dass
man die Arbeit gut lesen kann, auch wenn man nicht jede Anmerkung mitliest.
Ich stimme Dir aber darin zu, dass das eine oder andere Kapitel noch leserfreundlicher
ausgefallen wäre, wenn es sich um einen Essay und nicht um eine universitäre
Arbeit handeln würde.
Fantasyguide: Besonders interessant fand ich Deine Auseinandersetzung
mit den Motiven und der Geschichte der SF für Kinder und Jugendliche.
Warum ist das Thema für Dich so spannend?
Bartholomäus Figatowski: Interessant ist für mich an
der Auseinandersetzung mit den Motiven der Science Fiction, wie die Autoren
ihre Texte (und die Verlage die Bücher) gestalten, damit Kinder und
Jugendliche als Adressaten angesprochen werden. Wird eine kindliche bzw.
jugendliche Hauptfigur verwendet? Gibt es beim Schreiben für junge
Leser bestimmte Tabus? Gelten sie auch im Science-Fiction-Genre?
Es ist nicht damit getan, dass Autoren lediglich typische SF-Motive
übernehmen, wenn sie für Kinder und Jugendliche schreiben. Am
Beispiel der Weltraumreise als einem scheinbar etwas ausgeleiertem SF-Motiv
mache ich deutlich, wie einfallsreich sich Autoren mit dem Problem auseinandersetzen,
wie sich die Anwesenheit von Kindern an Bord überhaupt erklären
lässt.
(...) Diese zu entdecken macht „Wo nie ein Kind zuvor gewesen ist…“
zu einer nicht immer leichten, aber lehrreichen und vor allem fundiert
vorgetragenen Lektüre, der vielleicht nicht ganz der Brückenschlag
aus der eigenen Jugend es Autoren und zahlreicher Leser in die augenblicklich
auf den ersten Blick vielschichtigere Gegenwart der Jugendbuchliteratur
gelingt.
Anstelle der von Bueb ("Lob der Disziplin", "Von der Pflicht zu führen")
und Winterhoff ("Warum unsere Kinder Tyrannen werden", "Nein aus Liebe")
verfolgten Gehorsams- und Anpassungsstrategien setzt Link ganz im Geist
der Aufklärung auf Distanz- und Kritikfähigkeit. Er merkt an,
dass das meiste, was heute an pädagogischen Theorien publiziert wird,
hinter das zurückfällt, was Janusz Korczak und Ellen Key zu Beginn
des 20. Jahrhunderts formulierten (S.75). Mit Hinweis auf Alice Miller
("Am Anfang war Erziehung") lässt sich zeigen, wohin "Zucht und Ordnung"
führen. Vor Gericht formulierten NS-Täter nach 1945, dass sie
eine nicht hinterfragbare Gehorsamsbereitschaft verinnerlicht hatten. Und
auch marodierende Jugendliche, die Ausländer/innen attackieren, haben
zumeist eine autoritäre Erziehung "genossen". Das alles ist nicht
neu, droht aber anscheinend heute vergessen zu werden, weshalb ein Buch
wie das vorliegende, das an diese Zusammenhänge erinnert, auf jeden
Fall zu empfehlen ist.
Gerald Grüneklee,Buchfreund.de
Mehr als eine Streitschrift
Der Solinger Autor Olaf Link setzt sich in seinem neuen Buch „Erziehung
und Aufklärung“ mit den Thesen von Bernhard Bueb und Michael Winterhoff
auseinander. Seine Arbeit ist aber mehr als eine Streitschrift. Olaf Link
holt weit in der Geschichte der Erziehung aus und entwickelt seine Kritik
und die eigene Position auf der Grundlage einer in der Aufklärung
begründeten Theorie der Bildung und Erziehung.
„Das müsst ihr unbedingt lesen“
-
50 Gesamtschüler geben ein
Buch mit eigenen Rezensionen für Gleichaltrige heraus
Laurence ist durch einen Film auf sein Buch gekommen. Tom hat seins
beim Kramen im Keller gefunden. Und Susanne wie Lisa haben sich von ihren
Freundinnen neugierig machen lassen. Gestern sitzen die Vier stolz auf
dem Podium der Gesamtschule. Denn mit ihren Rezensionen selbst ausgewählter
Bücher sind die Neuntklässler regelrechte Autoren geworden. Mit
ihnen zeichnen 46 weitere Gesamtschüler verantwortlich für den
Band „Empfehlenswert - 50 Erzählungen und Romane für junge Leser“.
Er habe nichts vorgegeben, sagt Deutschlehrer Hans Weingartz, als er stolz
sein Autorenquartett vorstellt. „Jeder Buchtitel war eine freie Entscheidung.“
Sechs Wochen hatten die Schüler Zeit, einen passenden Titel zu
wählen, zu lesen, zu prüfen und dann für die Gleichaltrigen
zu rezensieren. „Und wer nicht ganz so begeistert vom Buch war, der
hat das dann auch gut begründet“, bemerkt Weingartz. „Mein Buch war
aber echt super“, sprüht Tom Thielemann vor Begeisterung. Mit Inbrunst
liest er seine Besprechung des dramatischen Jugendromans „Davids Versprechen“
von Jürgen Banscherus vor, der von der Gewalttätigkeit eines
Vaters gegen sein Kind berichtet. „Das beruht auf einer wahren Geschichte,
krass und spannend geschrieben.“ Ihre Harry-Potter- und Abenteuerbücher
seien eher Fantasy und hätten weniger mit der Wirklichkeit zu tun,
meinen Susanne Schwind und Lisa Schafer.
„Ne, eigentlich waren wir vorher auch nicht gerade Leseratten. Eher
haben wir uns schon mal ein Hörbuch geholt“, geben die beiden auf
Nachfrage des Publikums zu. Wobei eine der Rezensionen im Buch, die zu
„Tote Mädchen lügen nicht“, dann schließlich zu einer regelrechten
Lesewelle an der Schule geführt habe, sagt Hans Weingartz und lacht.
Er habe mit seiner Mutter vor der Lektüre über Süskinds
„Das Parfum“ gesprochen, erzählt Laurence Karbach. Die habe ihm den
Titel empfohlen. Ob er sich dann wirklich ihrem Urteil angeschlossen habe,
will jemand aus dem Publikum wissen. Laurence überlegt kurz. „Doch,
da hatte meine Mutter völlig recht. Das müsst ihr unbedingt lesen.“
General-Anzeiger (5.2.2011 )
Empfehlenswert
50 Bonner Schülerinnen und Schüler aus dem 8. und 9. Schuljahr
kommen in diesem Band zu Wort. Sie konnten sich für den Deutschunterricht
einen Roman ihrer Wahl aussuchen und besprechen. Dazu hatten sie vier bis
acht Wochen Zeit. Danach stellten sie ihre Lektüre der Klasse vor
und lieferten abschließend ihre Besprechung in schriftlicher Form
ihrem Deutschlehrer ab.
50 solcher Besprechungen sind nun unter dem Titel "Empfehlenswert" erschienen
und dürften eine wirkungsvollere Leseförderung darstellen als
manch andere, wohlgemeinte Lesetipps - die den "Nachteil" haben, von Erwachsenen
verfasst zu sein.
Interessant ist, welche Titel die Schüler gewählt haben. Von
der "Akte X. Ruinen" bis zur "Roten Zora" reicht die Liste der besprochenen
Texte. Klassiker sind darunter wie "Die Welle", aber auch aktuelle Titel
wie "Die Känguru Chroniken" und "Millionär".
Besonders in den abschließenden Bewertungen zeigt sich die Intensität,
mit der die Autoren sich mit ihrer Lektüre auseinandergesetzt haben.
Sie machen sich durchweg große Mühe, ein gerechtes Urteil zu
fällen. "Ich würde das Buch an Buchleser weiterempfehlen", schreibt
beispielsweise Jan, der sich mit Andreas Schlüters Science-Fiction-Roman
"2049" beschäftigt hat. "Aber Leuten," fährt er fort, "die keine
Bücher lesen, würde ich es nicht empfehlen."
Kinder sehen die Zukunft Berlins
mit düsteren Farben – Jugendliche Ängste als Buch veröffentlicht
Ilkay Arun ist sicher: Im Jahr 3000 ist die Welt wegen Müll
kaum noch bewohnbar. Die 17jährige Ilkay ist eine der fünf Jugendlichen,
die zusammen mit Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) und dem Herausgeber
des neu erschienenen Buches „Berlin 3000“, Hans Weingartz, gestern im Museum
für Naturkunde ihre Visionen vorstellten. Jugendsenator Krüger
und Herausgeber Weingartz versuchten, das Buch mit Worten wie Seismograph,
Schreckensvisionen oder positive Denkstrukturen zu beschreiben. Wirkungsvoll
setzten sie seine Vorstellung in der Umgebung der menschlichen Vorfahren
„homo sapiens sapiens“ und „homo sapiens neanderthalensis“ in Szene.
Die jugendlichen Verfasser der 33 Geschichten um „Berlin 3000“ benötigten
keine symbolträchtigen Hilfsmittel für das, was sie bewegt. Eindringlich
und deutlich beschreiben die Sechs- bis 18jährigen die Zukunft ihrer
Heimatstadt. „Berlin hat sich in zwei riesige Ghettos entwickelt“, schreibt
der 15jährigeKonstantin Raider. Wie die meisten der jungen Visionäre
besucht er das Lessing-Gymnasium.
„Die Anliegen der Kinder sollen nicht wie andere Schulaufsätze
in der Schublade der Lehrer versinken“, sagte Hans Weingartz. Deshalb seien
die Geschichten der Kinder zu einem Buch zusammengefaßt worden, das
jetzt in einer Auflage von 5000 Exemplaren zum Preis von 5,80 DM erschienen
sei.
Obwohl Berlin in vielen der Geschichten sehr düster beschrieben
wird, haben die Kinder Hoffnung. „Wir können doch noch eine Menge
ändern, bevor es zu spät ist“, sagen sie. Vielleicht müssen
sie dann nicht schreiben, daß es schade sei, „daß die Zerstörer
nicht unter den von ihnen verursachten Qualen zu leiden haben.“
Julia Schör,Berliner Zeitung (20.4.1993)
„Die Botschaften sind leider meist
traurig"
Die Menschen tragen Schutzmasken und leben in Unterwasserstädtcn.
„Kinder sind fast ausgestorben“ und können nur noch mit Erlaubnis
der Behörde „gcmacht“ werden: Visionen Berliner Schüler zum Leben
in der Hauptstadt im Jahre 3000.
Gestern stellte Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) diese Zukunftsvisionen
in Form des Buches „Berlin 3000“ vor. In 33 Geschichten beschreiben die
jungen Autoren ihre Vorstellungen über Berlin in über 1000 Jahren.
Mehr als 150 Schüler im Alter zwischen 6 und 18 Jahren beteiligten
sich. „Die Botschaft ist leider meist traurig“, so der Jugendsenator. Kaum
ein Schüler hat die Vision einer blühenden, lebenswerten Welt.
In den Zukunftsängsten werden Kriegsfolgen. Reaktorkatastrophen und
Mißbrauch von Technologien deprimierend deutlich geschi1dert. Das
Buch ist im Kid Verlag Bonn erschienen.
„Du kannst nichts falsch machen!“
- Heilsbotschaften einer „kinderfreundlichen Sekte“
"Du kannst nichts falsch machen" - welch tröstliche Worte
für ausgelaugte Pädagoginnen und Pädagogen, die sich tagtäglich
den Kopf zerbrechen, wie sie es denn richtig machen könnten. Die Botschaft
stammt von Dr. Hubertus von Schoenebeck, der seinen Versuch, ein „kinderfreundlicher
Lehrer" zu sein, nach kurzer Lehrertätigkeit aufgab, den „Freundschaft-mit
Kindern-Förderkreis“ (FmK) gründete und sich anschickte, Ekkehard
von Braunmühls radikale Erziehungskritik („Antipädagogik", Erstauflage
1975) in eine erziehungsfreie Lebensführung umzusetzen und die Rechte
der Kinder zu realisieren, „wozu es eines neuen Erwachsenen bedarf". Nicht
wenige professionelle Pädagoginnen und Pädagogen suchten auf
FmK-Seminaren seit 1978 Hilfe und Anregungen für ihre aufreibende
Arbeit. Im Ietzten Jahr wurde die tiefe Kluft zwischen Antipädagogik
als kritischer Theorie einerseits und der von Schoenebeck propagierten
„Revolution der Herzen" andererseits unübersehbar.
Im Bonner „Kinderinformationsdienst" warf Ekkehard von Braunmühl
ihm vor, FmK zur „Privatsekte" funktionalisiert zu haben und kündigte
an, diesen Vorwurf zu belegen mit seinem Buch: „Was ist antipädagogische
Aufklärung? Mißverständnisse, Mißbräuche, Mißerfolge
der radikalen Erziehungskritik". Mit diesem Buch mutet Braunmühl den
Erziehungskritikern mit bestechender logischer Stringenz die gleichermaßen
fundierte Kritik zu, mit der die Antipädagogik vor zwei Jahrzehnten
angetreten war, und deckt behauptete und geglaubte Unwahrheiten schonungslos
auf.
Dazu ein Beispiel: Schoenebeck erklärt alle Menschen von Geburt
an für „selbstverantwortlich". Die Wortschöpfung „Selbstverantwortung"
bzw. „Selbstverantwortlichkeit" hebt zunächst auf Assoziationen mit
dem biologischen Selbstregulierungsprinzip, der existentiellen Selbstbestimmung,
ab. Nun hat aber der Begriff „Verantwortung" zweifellos eine soziale Bedeutung,
er bezieht sich auf die Folgen von Handlungen: „Verantwortungsvolle" Menschen
bedenken vor einer Handlung, wie sie den von den Handlungsfolgen betroffenen
Mitmenschen gegenüber „Rede und Antwort“ stehen können, sie lassen
sich „zur Verantwortung ziehen“ entsprechend den sozialen Spielregeln unter
Menschen, die nichts vom Faustrecht halten. Für Schoenebeck folgt
aus der „Selbstverantwortung“: „Auf mein Verhalten kannst du mit Freude
oder Schmerz reagieren - dies ist deine Zuständigkeit, für deine
Reaktionen auf mein Tun bin nicht ich, sondern bist du selbst verantwortlich.“
Wenn ich - nach Schoenebeck - selbst jederzeit mein eigenes Bestes wahrnehme,
stets „Chef meines Lebens“ bin und meine Wut in einem Wutausbruch „selbstverantwortlich“
äußere, liegt es ausschließlich in der Zuständigkeit
der gerade mit mir interagierenden Mitmenschen (also z. B. auch Säuglingen,
Kleinkindern oder hilflosen Erwachsenen) zu entscheiden, wie sie auf meinen
Anfall reagieren; allen Ernstes behauptet Schoenebeck ohne jegliche Einschränkung,
ausschließlich der/die Partner/in sei für seine/ihre Reaktion
verantwortlich zu machen. „Wie ‚selbstverantwortlich' schreien Babies,
wenn sie gequält werden? Wie ‚selbstverantwortlich' schwellen Beulen,
wenn Kinder verprügelt werden (deren Erzieher nur „ihr Bestes" wahrnehmen)?“,
fragt Braunmühl. und kommt zum Schluß: „Das ‚Du bist selbstverantwortlich'
heißt im Klartext: ‚Ich bin frei von Verantwortung'. Und das ‚Ich
bin selbstverantwortlich' heißt im Klartext: ‚Niemand kann mich zur
Verantwortung' ziehen.“ Fazit: „selbstverantwortlich“ = unverantwortlich/verantwortungslos!
Braunmühl deckt weitere gezinkte Karten auf: „Subjektivität“
(,‚Es gibt nur subjektive Erkenntnisse“, somit kein Wissen und keine Wissenschaft),
„Achtung vor der Inneren Welt“ (in der Schoenebeck den menschlichen Verstand
unterschlägt und die äußere Welt mißachtet) und „Sozialität“
(radikale Ichbezogenheit, Nichtexistenz von Fehlern, Gewalt ist nicht Gewalt;
niemand soll sich „zur Gewaltlosigkeit vergewaltigen“ Schoenebeck hält
ichbezogenen Einsatz von Gewalt für unvermeidlich und „korrekt“).
Braunmühl weist nach, daß für Schoenebeck „Gewalt" nicht
objektiv definierbar ist, demnach auch nicht juristisch faßbar: „Es
gibt keine Gewalt - außer man fühlt es“ (wobei „man" den Gewaltausübenden
meint!), und: „Gewalt ... läßt sich nicht beseitigen“. (Das
schreibt einer, der für sich in Anspruch nimmt, die Kinderrechtsbewegung
in Deutschland initiiert und maßgeblich gefördert zu haben.)
Spätestens beim Lesen des Gewalt-Kapitels (S. 87 ff) wird für
die Leser nachvollziehbar, warum Braunmühl sich bis dahin immer wieder
merklich „an den Kopf faßt“ bei der Bewußtwerdung, daß
die vom gemeinnützigen „Freundschaft mit Kindern-Förderkreis"
verbreiteten Verwirrspiele des Dr. von Schoenebeck so lange so vielen ahnungslosen
Zuhörern, Lesern, Seminarteilnehmern und (Volks-) Hochschulen als
„erziehungskritisch" verkauft werden konnten, ohne daß ihren kritischen
Verstand weiterhin nutzende Pädagogen Schoenebeck als „FmKGuru" (Braunmühl)
erkannt und entlarvt hätten. Dieser spricht offenbar die wunden Punkte
der pädagogischen Profession derart geschickt an, daß die „Suchenden"
nicht erkennen, welche Mogelpackung sich hinter „dem schönen Schein“
des FmK-,,Kartenhauses" verbirgt - ein Wesensmerkmal aller Psychosekten.
Ich habe Braunmühls neues Buch gründlich auf mögliche
„Denkfehler“ (die es für Schoenebeck zwar nicht gibt, aber den Verstandbenutzern
ja durchaus unterlaufen können) hin untersucht - und bisher keinen
gefunden; bei der Enthüllung dieses Skandals ist der Autor m. E. mit
großer Sorgfalt.vorgegangen. Wessen Verstand nicht wegen „Subjektivitis"
(Braunmühl) geschrumpft ist, findet zu einem sehr moderaten Preis
eine spannende Entwirrung eines raffiniert geknüpften Knotens.
Für mich war das Buch nicht nur die "Enthüllung eines Skandals"
(Sensenschmidt), sondern auch ein einzigartiges Lesevergnügen, aufklärerisch,
sprachlich ein Genuß sowie angemessen sachlich, kämpferisch
und witzig. Mir ging es zuvor bei der Lektüre von Schoenebecks Schriften
ähnlich wie Braunmühl selbst - vieles von dem Schwachsinn hatte
ich lange Zeit schlichtweg einfach überlesen, nicht gerade begeistert,
aber vorsichtig zustimmend zur Kenntnis genommen oder für etwas wirr,
aber dennoch akzeptabel gehalten. Ich habe dies seinerzeit in einer Rezension
in "Psychologie heute" zum Ausdruck gebracht.
Braunmühl hat recht: einen Großteil des Unfugs erkennt man
erst dann als solchen, wenn man differenziert auf Schoenebecks Worte schaut
und sich in den "Sinn" hineindenkt. Dieser wird sich vermutlich (obwohl
Braunmühl und auch Sensenschmidt diesen Begriff vermeiden) letztendlich
als echter "Wahnsinn" herausstellen. Denn die Schoenebecksche Verweigerung
jedweder Diskussion macht nur dann "Sinn", wenn man - wie er - das Wunschdenken
bzw. die Realitätsflucht so weit treibt, sich als tatsächlich
unfehlbar zu wähnen.
Aber vielleicht ist "Irrsinn' der humanere Begriff. Denn Irren ist menschlich,
und wer das bestreitet (wie es Schoenebeck immer bedingungsloser tut),
vollzieht in den Augen von Menschen, die ihren Verstand nicht an der "Gurudrobe"
abgegeben haben (Ekkehard von Braunmühl, S. 42), selbst den Schritt
vom Irrenden zum Irren.
Schoenebecks "Lebensphilosophie" jedenfalls propagiert nicht "Antipädagogik"
(oder auch: "Postpädagogik"), sondern die Rebarbarisierung der intergenerationellen
Beziehungen.
Dieser Befund ist so eindeutig und die skrupellose Selbstbezogenheit
der Schoenebeckschen Erziehungsideologie ist (nach Kenntnisnahme der Braunmühlschen
Analysen) so offenkundig, daß ich den Institutionen (z.B. den Deutschen
Paritätischen Wohlfahrtsverband), die den Freundschaft mit Kindern
Förderkreis e. V. als Mitglied akzeptieren und ihm dadurch eine gewisse
Seriosität bescheinigen, nur dringend empfehlen kann, entsprechende
Konsequenzen zu ziehen.
Natürlich genießen in einer freien Gesellschaft auch unzurechnungsfähige
Wirrköpfe, Psychopathen und Sektenführer den Schutz der Meinungsfreiheit
- und das ist auch gut so! Die Frage ist indes, ob öffentliche Institutionen
einen narzistischen Psycho-Guru, der Verantwortungslosigkeit sogar zum
Ideal erhebt, weiterhin unterstützen sollen, wo jetzt klar geworden
ist, daß der Erfolg seiner Bauernfängerei maßgeblich auf
diese Unterstützung zurückzuführen ist.
Es ist schwer einzuschätzen, welchen Schaden Schoenebeck und sein
Förderkreis wissenschaftlich und politisch der Kinderrechtsbewegung
zufügt. Ich halte jedenfalls die antipädagogische Aufklärung,
wie Braunmühl sie besonders im letzten Teil seines Buches betreibt
(den Sensenschmidt nicht erwähnt), für so allgemein wichtig und
überzeugend, daß ich mir eine neue Grundsatzdiskussion wünsche
- wie sie vor zwanzig Jahren nicht nur die Fachöffentlichkeit bereits
begonnen hatte, bis sie durch das Auftreten von Schoenebeck mit seinen
Verrücktheiten ("Es gibt keine Fehler", "Es gibt keine Gewalt" u.
dgl.) buchstäblich erstickt wurde. Hier wäre ein Zeichen zu setzen.
Dr. Wolfgang Hinte, Kid - KinderInformationsDienst, 1/97
(fp) Dieses Buch beginnt mit einem Briefwechsel zwischen einem Kind
und dem Bürgermeister der österreichischen Stadt Imst: „Wir möchten
auch einen Spielplatz haben ...“. In den folgenden Monaten hat der Autor
die Planung und Durchführung dieses Projektes begleitet, reflektiert
und protokolliert, das durch diesen Brief ins Rollen gekommen ist. Ihm
geht es darum zu dokumentieren, daß Kindermitbestimmung hier und
heute durchaus möglich ist. „Es gibt nicht das Partizipationsrezept“,
schreibt Peter Egg rückblickend, und es ist sicherlich auch kein Ziel
für die Zukunft, eine Partizipations-Monokultur in diesem Bericht
aufzubauen.“ Doch eines ist das hier vorliegende Buch auf jeden Fall: in
vielfacher Hinsicht eine Quelle für Ideen, wie Beteiligung von Kindern
bei der Gestaltung ihrer Lebenswelt aussehen kann.
Für diese Arbeit wurde Peter Egg mit dem 1. Preis des Salzburger
Förderungspreises für Kinder- und Jugendforschung ausgezeichnet.
Sie ist groß, schlank und häßlich. Sie schluckt
Bomben, um die Welt zu retten und bringt den Wecker mit einer Panzerfaust
zum Schweigen. Ihr Name ist Barbie„ ,Horror-Barbie". Aus dem langbeinigen
blonden ursprünglichen Klein-Mädchen-Traum ist die „Action“-Heldin
eines Buches geworden. Gestern wurde eine Ausstellung mit Texten und Titelentwürfen
in der Bad Godesberger Bezirksbücherei eröffnet Die Autoren der
21 Kurzgeschichten sind Schüler und Schülerinnen der Klasse 5
b der Gesamtschule Bad Godesberg. Wie aus dem amerikanischen Plastikmodell
ein vielseitiges „Superweib" wurde, erzählte Lehrer und Buchherausgeber,
Hans Weingartz.
Erst „lagen die Schüler unterm Tisch“, als das Thema des Deutschaufsatzes
bekannt wurde. „Barbie - Igitt. Dazu schreibe ich nichts“. Dann aber setzten
sie sich wieder ans Pult und erzählten vom Kumpeltyp und von der tyrannischen
„Spinatwachtel“.
Die männermordende „Zicke“ mit „rotglühenden Augen“ ist nur
ein Aspekt in dem Buch mit dem blutrünstigen Titel „Horror-Barbie“.
Die Blondine hat Charakter, sie ist auch beste „Freundin“, arbeitet als
Flugkapitän oder Tierärztin und versorgt den faulen Ken, der
derweil mit seinem (angeblich) flotten Flitzer Frauen aufreißt.
Die Geschichten spiegeln Alltags und Fernseherlebnisse, Familienleben
und Wünsche wider - und eine erstaunliche Distanz zu der Puppe. Eine
Autorin fragt am Weihnachtsfest angewidert, womit sie ein solches Geschenk
verdient habe. Ein anderer läßt Barbie köpfen - von der
Anti-Kitschpolizei. Die Anklage lautet auf „Verbreitung des ansteckenden
Kitschvirus“.
Als Einlage zu den Texten führten Schülerinnen der 5b, der
Parallelklasse 5d und aus dem Amos-Comenius-Gymasium bei der Ausstellungseröffnung
Tänze auf. Zum „Barbie-Song“ trugen die Mädchen natürlich
pinkfarbenen Lippenstift und blauen Lidschatten. „Die Horror Barbie - Geschichten
der 5b“ ist im Kid Verlag erschienen und kostet 10 Mark. Die Ausstellung
in der Stadtbücherei Bad Godesberg dauert bis zum 7. August.
Ökologische Kinderrechte –
Dokumentation des Kongresses
Ein wichtiges Buch, das sehr engagiert, mutig und kein bisschen
langweilig einen Querschnitt der politisch längst überfälligen
Diskussion um die ökologischen Rechte unserer Kinder darstellt.
Auf dem Kongress kamen genau die Probleme zur Sprache, die unsere Kinder
in ihrer Lebensfreude und freien Entfaltung heute so sehr beschränken.
Ob Belastung durch Chemie und Radioaktivität, Neurodermitis oder Allergien
- hier berichten Fachleute über Ursachen, rechtliche Situation und
politische Notwendigkeiten. Spannend sind die Ansätze für den
Einbezug von Kindern ins politische Geschehen zu lesen - Kinderverträglichkeitsprüfungen
sollten eigentlich in allen Städten zum gängigen Repertoire gehören
und nicht nur als politisches Schlagwort ge- oder mißbraucht werden.
Doch in der Praxis ist die Umsetzung manch guter Ideen zur Verbesserung
der Zukunftsperspektiven der nächsten Generation oft über die
berühmten Kinderschuhe noch nicht hinausgekommen.
Rechtlich- politische Schritte wie z.B. das im Buch enthaltene Greenpeace
- Gutachten zur Messung von Luftschadstoffen in Kindernasenhöhe sind
zwingend nötig. Unterbleiben sie, wird alles Gerede um die Zukunft
unserer Kinder zum bloßen „Machtzynismus politischer Eliten“, wie
Horst Petri als Mitautor am Ende des Buches richtig bemerkt.
Dieses Buch ist das notwendige Salz in der derzeitigen urnweltpädagogischen
Suppe.
Das Thema ist "heiß". Bündnis 90/ Die Grünen und SPD
reichten diesen Monat einen Antrag im Bundestag ein, in dem sie ökologische
Rechte für Kinder einfordern. In der Begründung heißt es,
daß die Zahl der kranken Kinder durch Umweltbelastungen dramatisch
zugenommen habe. In Deutschland litten inzwischen 10 bis 15 % aller Kinder
an der Atemwegserkrankung Asthma, 1,2 Millionen an Neurodermitis, fast
die Hälfte seien latente Allergiker, immer mehr Kinder hätten
Krebs. Schuld daran seien vor allem die Grenzwerte, die für einen
fiktiven Durchschnittsmann von 70 kg Gewicht berechnet werden und aus dem
Arbeitsschutz stammen.
Schadstoffbelastungen würden darüber hinaus oftmals nicht
in "Kindernasenhöhe" gemessen. Die körpereigenen Abwehrfunktionen
sind bei Kindern noch nicht so stark ausgebildet, so daß sich entwickelnde
Organe dauerhaft geschädigt werden können. Neben der Senkung
der Grenzwerte für Schadstoffe sollte auch für Baustoffe, Textilien,
Farben, Reinigungsmittel und Kosmetika eine umfassende Deklaration eingeführt
werden. Die SPD fordert neben einem Anwendungsverbot der umstrittenen Pyrethroide
(Insektengifte) insbesonders eine "Technische Anleitung (TA) Innenraum",
da für Innenräume derzeit keine rechtlich bindenden Grenzwerte
existieren. Die Bundesregierung sieht das anders: Sabine Bergmann-Pohl,
Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, will zunächst durch
langfristige Untersuchungen die Zahl der erkrankten Kinder und die umweltbedingten
Zusammenhänge erforschen lassen. Immer mehr Organisationen unterstützen
inzwischen die Forderung nach ökologischen Kinderrechten, z.B. die
"Kinderkommission" im Bundestag, in der alle Fraktionen vertreten sind
und die sich als Partner und Förderer von Verbänden und Initiativen
sieht, die aber faktisch kaum Macht hat (...).